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wgg selb 0719521.7.2019 - „Sie liegen dem Staat auf der Tasche.“, „Wirtschaftsflüchtlinge!“ und „Unsere Werte werden nicht respektiert.“ Diesen Vorurteilen über Geflüchtete begegnet man immer wieder. Ina Adler vom Jugendmigrationsdienst der Caritas und Bianca Richter, die im Landkreis Wunsiedel als kommunale Bildungskoordinatorin Neuzugewanderte betreut,

haben es sich im Rahmen des Projekts „Zuflucht gesucht“ zur Aufgabe gemacht, diesen Klischees entgegenzutreten. In den Schulen wollen sie mit ihrer Aufklärungsarbeit beginnen. „Wir möchten zeigen, warum Geflüchtete hier sind, wie es ihnen geht. Auf diese Weise sehen wir eine Chance über Vorurteile nachzudenken, sie zu hinterfragen, sie vielleicht gar nicht erst entstehen zu lassen.“

Über 40 Schulklassen haben die beiden Koordinatorinnen bereits besucht, an diesem Dienstag sind sie auf Einladung von Oberstudienrätin Silke Sachs zu Gast bei 25 Oberstufenschülerinnen und -schülern des Walter-Gropius-Gymnasiums Selb. Begleitet werden sie von vier Geflüchteten: Abdullahi aus Eritrea, Mahdi aus Somalia, Hamze aus Syrien und Mohammed aus dem Iran.

Die Motive für die Flucht, den Aufbruch und den Fluchtverlauf genauer zu beleuchten, ist ein weiterer Beweggrund des Projekts „Zuflucht gesucht“.

Zunächst suchen die Elftklässler in einem kleinen Rollenspiel nach Gründen, warum jemand sein Land verlässt, verlassen muss. Politische und religiöse Verfolgung werden genannt, außerdem Armut, Hunger, die Aussicht auf ein besseres Leben, Naturkatastrophen… Einige Belege aus aktuellen Statistiken liefern ergänzend zum Teil drastische Hintergrundinformationen: Derzeit sind rund 70 Millionen Menschen auf der Flucht, täglich verlieren 37.000 ihre Heimat.

wgg selb 07195Doch was nimmt man mit, wenn plötzlich – so unvorstellbar es für uns klingen mag – neben der Schule oder im Nachbarhaus eine Bombe einschlägt und alles zerstört wird? Die Oberstufenschülerinnen und -schüler schreiben drei Dinge auf, die sie in aller Eile mitnehmen würden, von den Geflüchteten werden die notierten Gegenstände dann vorgelesen. Nahrung und Kleidung werden von fast allen genannt, Ausweis, Geld, Handy, Decke, Fotos sind weitere „Gepäckstücke“.

Doch wie sieht die Realität aus? Einer der vier jungen Migranten ist geflohen, weil Krieg herrscht und die Stadt bombardiert wurde, es keinen Strom und kein Wasser mehr gab. Mohammed nennt politische Gründe, er hat trotz Verbots an einer regimekritischen Demonstration teilgenommen hat. Mahdi aus Somalia ist ganz ohne Gepäck aufgebrochen.

Den geschilderten Fluchtgeschichten gemeinsam sind die vielen Stationen auf dem Weg nach Europa. Auf einer großen Weltkarte können die Schülerinnen und Schüler die Fluchtwege der vier Migranten nachvollziehen. Immer wieder wird der Begriff „Schleuser“ genannt und die hohen Summen, die bezahlt werden mussten. Alle nutzten die verschiedensten Transportmöglichkeiten: Im LKW oder Bus, mit dem Schlauchboot oder zu Fuß seien sie unterwegs gewesen. Der Weg zieht sich oft über einen langen Zeitraum, immer wieder mit Unterbrechungen von einigen Tagen bis zu Monaten, manchmal sogar Jahren. Oft hätten sie sich „wegverstecken“ müssen vor der Polizei. Und fast immer hat die Familie ihr ganzes Geld zusammengekratzt, um zumindest einem ein sicheres Leben zu ermöglichen. Für Mädchen oder junge Frauen werde die Flucht als viel zu gefährlich erachtet. Hierin liegt auch die Erklärung für den ebenfalls häufig zu hörenden Vorwurf, es kämen nur junge Männer.

Und wie geht es den jungen Migranten jetzt? Alle lernen Deutsch, sodass sie flüssig erzählen und sich gut verständigen können. Im Gespräch wird deutlich, wie wichtig ihnen ein Schulabschluss ist bzw. wie stolz sie sind, ihn bereits in der Tasche zu haben. Eine Ausbildung ist dann das nächste Ziel, zwei haben bereits einen Platz sicher, die Freude darüber ist ihnen deutlich anzumerken.

Zum Abschluss folgt der Rückgriff auf die Vorurteile, die die Klasse in Vorbereitung auf den Besuch gesammelt hat und die noch immer an der Tafel stehen. Eine Schülerin fasst es treffend zusammen, indem sie der Stammtischparole „Die müssten sich alle viel besser anpassen.“ entgegensetzt: „Die Anpassung ist doch da, alle lernen Deutsch, gehen zur Schule, wollen eine Ausbildung.“

Auch die Rolle der Medien wird von den Schülern reflektiert dargestellt: Der Normalfall, also eine problemlose Integration, sei für die Medien nicht interessant, nur „bad news“ schafften meistens den Weg in die Zeitungen.

Das Schlusswort von Frau Adler ist ein Aufruf, eine Bitte an alle: Es bleibe wichtig, aufeinander zuzugehen, Toleranz zu üben. So kann aus „Zuflucht gesucht“ „Zuflucht gefunden“ werden. 

selb-live.de – Presseinfo WGG Selb

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