12.5.2016 – Wer hierzulande seinen Glauben praktizieren oder aus der Kirche austreten, die Kirche oder seine Religion wechseln oder auch an gar nichts glauben will, der kann dies unbehelligt tun. In vielen Ländern dieser Erde sieht das ganz anders aus, vor allem für Christen. Heute sind Christen in den meisten
islamischen Ländern und auch den kommunistischen Staaten China und Nordkorea heftigsten Verfolgungen ausgesetzt. In zahlreichen Ländern ist es lebensgefährlich, Christ zu sein oder werden zu wollen. Die evangelische Kirchengemeinde Erkersreuth und die katholische Pfarrei Herz Jesu aus Selb wollen das Thema nun auch in der Region auf die Tagesordnung setzen.
Bei einem Infoabend beider Kirchengemeinden unter dem Motto „Kirchen brennen, Christen sterben. Und der Westen schweigt“ gab es nun Fakten und Informationen zu verschiedenen Ländern. Berthold Pelster vom Päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“ referierte im evangelischen Gemeindesaal von Erkersreuth vor zahlreichen Zuhörern. Das katholische Hilfswerk fördert Kirchen, Gemeinden, Priester und aktive Laien in den Ländern der Verfolgung mit praktischer Unterstützung, Projekten und auch Aufbauhilfen wie etwa dem Bau von Schulen in Regionen mit Flüchtlingen. In Deutschland leistet das Hilfswerk Öffentlichkeitsarbeit zum Thema.
Pelster äußerte sich vor allem zum Nahen Osten, wo die Lage für die Christen in den letzten Jahren eskaliert ist. „Früher gab es in Syrien große Freiheiten für die Kirchen. Kirchen durften neu gebaut werden, es gab sogar kirchliche Schulen und Sozialarbeit. Seit 2011 kämpfen islamistische Rebellen gegen Präsident Assad und mit furchtbarer Gewalt auch gegen Christen und Muslime, die den IS-Terroristen nicht radikal genug sind. Kirchengemeinden sind meist die wichtigsten Anlaufstellen für verfolgte Menschen und Menschen in Not, auch für Muslime.“
Über die Hälfte der 22 Millionen Syrer seien auf der Flucht vor der IS-Terrormiliz, jeder zweite Syrer lebe nicht mehr in seinem Haus, über vier Millionen haben das Land verlassen, berichtete Pelster. Er machte deutlich: „Dabei werben die Bischöfe dafür, dass die Christen und die Jugend im Land bleibt, denn eine Kirche ohne Jugend ist eine Kirche ohne Zukunft. Nicht der Flüchtlingsstatus in Europa, sondern Frieden und Versöhnung in Syrien müssen das Ziel für die Zukunft sein.“
Erst im Februar dieses Jahres konnte sich das Europäische Parlament durchringen, in einer Resolution die Gräueltaten des „Islamischen Staates“ als Völkermord zu kritisieren. „Viel zu spät“, kritisiert Pelster. Der IS habe mittlerweile ein Drittel des Gebiets des Irak und Syriens unter seiner Kontrolle und greife längst auch auf andere Staaten über. Er warnte: „Der IS folgt einer radikalen Strömung des sunnitischen Islam. Toleranz, Respekt und friedliches Zusammenleben kommen in diesem Konzept nicht vor. Auch moderate Muslime, Juden und Jeziden werden brutal verfolgt. Der IS versucht, alle religiösen Minderheiten zu vernichten.“
Im Nahen Osten werden derzeit ganze Kirchenlandschaften zerstört, Ursprungsregionen der Christen gehen unter. „Die Radikalisierung des Islam weltweit setzt sich in diesen Ländern brutal fort. Die verbliebenen Christen erleben ihren Alltag in ständiger Angst vor Anschlägen. Millionen sind auf der Flucht, Kinder sind traumatisiert und wachsen ohne Schulbildung auf. Viele der Geflohenen sind traumatisiert und wollen nie mehr zurück“, fasst Pelster zusammen.
Der Islam kenne zwei Traditionen. Einerseits eine Duldung der Christen als Anhänger einer Schriftreligion, anderseits aber auch eine pauschale Verurteilung als Ungläubige verbunden mit dem Aufruf, diese zu töten. Wobei auch im ersten Falle der Duldung der Übertritt zum Christentum, die Mission und Ausbreitung des Christentums völlig verboten seien, Bürgerrechte für Christen eingeschränkt seien und die Christen als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.
Der „Islamische Staat“ verfahre radikal. „Christen stehen vor dem Ultimatum zum Islam zu konvertieren oder ihre Heimat zu verlassen. Und wer in Ländern wie Iran oder Saudi-Arabien zum Christentum konvertiert, tritt aus der staatlichen Solidargemeinschaft aus. Das ist ein politischer Akt des Hochverrats und eine Schande für die Familie. Konvertiten leben in ständiger Todesangst, weil auch aus der Familie heraus Todesurteile vollstreckt werden.“ Auch in Nigeria, wo die Terrormiliz Boko Haram wütet, sei die Lage für Christen lebensbedrohlich. „Die Boko Haram sind militant antiwestlich, sie sind eine der schlimmsten islamistischen Terrorgruppen.“ Von über 200 vor Monaten verschleppten christlichen Schülerinnen fehle bis heute jede Spur.
Doch es gebe auch Hoffnungsfunken, so Pelster. In der „Deklaration von Marrakesch“ hätten Anfang 2016 rund 250 islamische Gelehrte und Intellektuelle das Gewaltpotenzial des Islam kritisiert und ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Volksgruppen und Religionen auf der Basis der gemeinsamen Staatsbürgerschaft gefordert. Und in China nehme die Zahl der Christen trotz aller Repressalien deutlich zu.
Dekan Hans Klier und Pfarrer Dr. Jürgen Henkel warnten bei der anschließenden Diskussion vor einer „Haltung des Wegschauens“. Laut Henkel „darf Toleranz keine Einbahnstraße sein“. Und Dekan Klier meint: „Bleiben wir selber im Glauben an Jesus Christus fest und schenken wir den verfolgten Christen unsere Solidarität: sie brauchen sie.“
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