26.2.2018 - Es wird wieder mehr über Politik diskutiert. Die Menschen interessiert, wie unser Land in Zukunft regiert wird. Das kann man als ein wichtiges Fazit des Roten Stammtisches der Selber SPD am vergangenen Donnerstagabend festhalten.
Der SPD Ortsverein hatte Mitglieder und alle Interessierten zur Diskussion über die mögliche Große Koalition eingeladen. Und es kamen nicht nur Parteimitglieder, nein, auch Anhänger der möglichen Koalitionspartner waren da. Als Referent war Jörg Nürnberger eingeladen. Er ist nicht nur Kreisvorsitzender der SPD und deren Fraktionssprecher im Kreistag, er war auch Delegierter der letzten Bundesparteitage und kennt die Gliederungen der SPD.
Nach der Begrüßung durch den Ortsvereinsvorsitzenden Roland Graf, der sich erkennbar über den regen Besuch freute, stellte Nürnberger nochmals den Ablauf der Ereignisse von der Bundestagswahl im September 2017 bis zur heutigen, doch recht dramatischen Situation vor. “Die SPD ist nicht freiwillig in die GroKo-Verhandlungen mit der CDU/CSU gegangen, sondern vor allem durch den überraschenden Rückzug des FDP-Chefs Lindner von den Jamaikaverhandlungen gezwungen worden.“ Die Fehler des SPD-Vorstandes verschwieg Nürnberger dabei nicht. Er bemängelte, dass die Parteispitze das Gefühl dafür verloren habe, wie ihr Verhalten bei der Bevölkerung ankomme. Als Schulz trotz mehrmaliger großartiger Absage trotzdem plötzlich Außenminister werden wollte, brachte das Fass zum Überlaufen und beendete seine politische Karriere.
Nürnberger sieht in dem Sondierungsergebnis durchaus sehr gute Erfolge aus Sicht der SPD. Das Kapitel Arbeit und Soziales enthalte sehr gute Regelungen für alle Arbeitnehmer, die Flüchtlingsfrage werde moralisch richtig und pragmatisch vertretbar geregelt. Er begrüßte dabei besonders die Einigung auf ein Einwanderungsgesetz. Wir könnten nicht die ganze Welt bei uns aufnehmen und müssten auf die Belastbarkeit unseres Landes achten, aber Asyl für wirklich Verfolgte sei aus unserer historischen Verantwortung eine Selbstverständlichkeit.
Er begrüßte, dass Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden und das Kooperationsverbot aufgehoben werden soll, welches dem Bund jegliche Einmischung etwa in die Schulpolitik der Länder verbietet.
Bei aller Zustimmung werde aber gerne übersehen, dass erstens viele der Punkte bereits im Koalitionsvertrag 2013 enthalten waren, die CDU/CSU eine Verwirklichung aber verhindert habe. Nun wurden sie einfach neu übernommen. Für die Umsetzung aller vereinbarten Punkte werde auch die verbleibende Regierungszeit knapp. Und um etwa das Kooperationsverbot abzuschaffen, bedarf es einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag, da hierzu eine Verfassungsänderung notwendig wäre. Die werde es aber im neuen Bundestag nicht geben.
Persönlich sprach sich Nürnberger gegen eine GroKo aus. Er sehe zu wenig Risikobereitschaft bei den Beteiligten für eine neue Politik, auch fehlten den Koalitionären Visionen und Leitvorstellungen, die die Menschen bewegten und mitnähmen. Dass die mögliche GroKo eine gesamte Legislaturperiode überstehe, glaubte Nürnberger nicht. Dazu fehle ihr auch die Basis gegenseitigen Vertrauens.
Den Ausführungen Nürnbergers folgte eine sehr engagierte, ausführliche Diskussion der Besucher. Etliche Anwesende plädierten deutlich für eine Große Koalition. Christine Feig-Kirschneck, Betriebsratsvorsitzende bei der Netzsch Feinmaltechnik, hob beispielhaft die Wiedereinführung der Parität bei der Krankenversicherung und das garantierte Rückkehrrecht für Teilzeitarbeiter in die Vollzeit hervor. Sie warb engagiert für eine Zustimmung zur Groko, es gehe um die Durchsetzung konkreter Ziele, außerdem habe die Koalition eine Mehrheit von 53%, das sei ein Regierungsauftrag.
Das Für und Wider wurde noch heftig, aber stets fair diskutiert, viele gute Argumente wurden ausgetauscht und Jörg Nürnberger war überrascht, wie intensiv sich die Besucher mit politischen Fragen auseinandersetzten. Bei zwei Abstimmungen, einer vor, der anderen nach der Diskussion, konnten die Befürworter der GroKo ihren leichten Vorsprung noch ausbauen. In seinem kurzen Abschiedswort konnte Roland Graf feststellen, dass es um die demokratische Kultur so schlecht nicht bestellt ist.
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