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fws selb 0417111.4.2017 – Einen Einblick in die Arbeiten der Hebammen in Selb konnten die Freien Wähler Selb bei ihrem Mitgliedertreffen bekommen. Johanna Jankowski von „Hebammen im Fichtelgebirge“ referierte beim Treffen der FWS kurzweilig und charmant über das breite Tätigkeitsfeld, aber auch über die Sorgen und Nöte die die Hebammen momentan treiben.

Das Hebammen-Team betreut in Selb und Umgebung vor und nach der Geburt die jungen Mütter. Für jährlich durchschnittlich rund 100 Familien ist das Selber Hebammen Netzwerk mit Rat und Tat zur Stelle. Mit ihrem Wissen und viel Zeit ermöglichen die Hebammen eine ganzheitliche Vorsorge. Das Ziel ist es, dass die Schwangerschaft bewusst und mit Freude erlebt wird, so die Referentin. Stephan Rummel wollte wissen, in welchen Kliniken der Selber Nachwuchs zur Welt gebracht wird und ob die Mitarbeiterinnen von Hebammen im Fichtelgebirge bei der Geburt dabei seien. Etwa 50% der Selber Babys kommen im Klinikum Fichtelgebirge, Haus Marktredwitz zur Welt, etwa 40% im Sana Klinikum in Hof. Die restlichen 10 % verteilen sich auf die Häuser in Bayreuth, Weiden, Plauen und Naila, so Frau Jankowski. Bei der Geburt selbst sind die Hebammen aus Selb nicht dabei, die Geburtsbegleitung wird durch die Hebammen der Kliniken geleistet. Die Ausnahme im Selber Team ist Nadja Bell, die als Angestellte im Bayreuther Klinikum beschäftigt ist.

Adolf Lindner fragte ob das Thema der hohen Haftpflichtversicherungsbeiträge noch aktuell ist. Jankowski hierzu: Für in der Geburtshilfe tätige, freiberufliche Hebammen betragen die jährlichen Versicherungskosten 6.800€. Die immensen Summen kommen insbesondere dadurch zustande, weil die Hebammen bis zu 30 Jahre nach der Entbindung in Regress genommen werden können. Für die meisten freiberuflichen Hebammen ein KO-Kriterium in der Geburtshilfe zu arbeiten. Für eine Geburt im Krankenhaus, inklusive acht Stunden Betreuung vor und drei Stunden nach der Entbindung, erhält eine Hebamme 270€. Schon allein die Versicherungskosten lassen erkennen, dass hier keine Kostendeckung erzielt werden kann. 2002 lagen die jährlichen Versicherungskosten noch unter 500€, für eine Entbindung gab es damals knapp 180€. Genügend engagierte und gut ausgebildete Hebammen stehen in Selb und im gesamten Landkreis ausreichend zur Verfügung, so Jankowski. Hebamme wird man nicht um reich zu werden, sondern weil der Beruf einfach toll ist und die Arbeit mit den jungen Müttern und Babys viel Spaß und Erfüllung bringt, so die Rednerin. Sorgen macht den Selber Hebammen aber, dass das lange Zeit an sich bewährte System in den vergangenen Jahren für Beleghebammen zunehmend unwirtschaftlich geworden ist. Das liegt insbesondere an der geringen Grundvergütung und den überproportional stark angestiegenen beruflichen Kosten. Die Hebammenverbände haben deshalb eine Erhöhung der Vergütung in den Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen gefordert. Diese Forderung nimmt der GKV-Spitzenverband, die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, zum Anlass, Neuregelungen im Vertrag zu verankern. Diese werden künftig eine Ausübung der freiberuflichen klinischen Tätigkeit von Hebammen unmöglich machen. Es ist zu erwarten, dass zahlreiche Kliniken, die jetzt mit Beleghebammenteams arbeiten, die freiberuflichen Hebammen nicht (wieder) anstellen. Außerdem ist zu befürchten, dass aufgrund der Umstrukturierung des Belegsystems gerade kleinere geburtshilfliche Abteilungen von der Schließung von Kreißsälen betroffen sein werden. Die Arbeit der Hebammen, sowie der Erhalt der Geburtenstationen in der Region, z.B. in Marktredwitz und Hof ist enorm wichtig, so Stephan Rummel, der 2. Vorsitzende der Freien Wähler Selb. Rummel versprach Jankowski sich in einem Schreiben an die Bayerische Gesundheitsministerin Huml stark zu machen. Einer alleine kann vielleicht nicht so viel bewegen, so Rummel und Jankowski unisono, aber im Kollektiv kann man bestimmt auch bei der großen Politik etwas bewirken. In diesem Zusammenhang wies Johanna Jankowski auf die Internetseite des Deutschen Hebammen Verband hin. Unter www.unsere-hebammen.de gibt es viel interessantes Informationsmaterial und die Möglichkeit sich für eine deutschlandweite, gute Versorgung stark zu machen.

 

Offener Brief: Landarztquote und Hebammenversorgung

 

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Huml,

wir, die Freien Wähler Selb, sind seit 1972 eine parteifreie, unabhängige Wählergruppe, die in unserer Heimatstadt Selb aktiv ist. Mitglieder aus unseren Reihen bilden zusammen mit den Stadträten der CSU eine Fraktion. Unser Fokus liegt ausschließlich auf der Kommunalpolitik.

Mit Freude entnahmen wir den Medien, dass Sie eine „Landarztquote“ angekündigt haben und begrüßen deren Einführung. Nach unseren Recherchen dauert eine „Ausbildung“ zum Hausarzt ca. elf Jahre. In den nächsten elf Jahren werden jedoch etwa die Hälfte aller derzeit rund 50.000 berufstätigen Hausärzte Deutschlands bereits in den Ruhestand gegangen sein. Kurzfristig wird wohl kein spürbarer Effekt in unserer Region bemerkbar sein. Wir bitten Sie deswegen, neben der geplanten Quote weitere Maßnahmen für in naher Zukunft vom Hausärztemangel bedrohte Regionen, wie z. B. unsere Stadt Selb, zu prüfen und einzuführen. Als Grundlage hierfür sehen wir eine rechtzeitige Bedarfsplanung. Maßnahmen könnten in unseren Augen Vergütungszuschläge und Umsatzgarantien für niederlassungswillige Ärzte sein.

Mit unserem zweiten „medizinischen“ Thema möchten wir Sie bitten, sich für eine gute Hebammenversorgung und der Sicherung von Kreißsälen in unserer Region stark zu machen. Sicher ist Ihnen bekannt, dass der GKV-Spitzenverband plant, die Voraussetzungen für die Vergütung von Beleghebammen zu ändern. Dies würde die angespannte Lage in der klinischen Geburtshilfe noch weiter verschärfen. Wenn die Krankenkassen ihren Vorschlag im laufenden Schiedsverfahren durchsetzen, bedeutet das:

erstens, dass Beleghebammen im Schichtdienst nur noch die Betreuung von höchstens zwei Frauen parallel abrechnen dürfen. Im Idealfall kümmert sich jede Hebamme nur um eine Geburt auf einmal, doch jeder weiß, dass sich Geburtstermine nicht planen lassen und Kinder manchmal gleichzeitig auf die Welt wollen. Diese Beschränkung ist also völlig unrealistisch.

zweitens, dass Beleghebammen in der 1:1-Betreuung sich auch bei längeren Geburten nicht mehr kurzfristig ablösen dürfen. Eine Ablösung ist nur noch möglich, wenn diese im Voraus geplant und namentlich bekannt ist. Auch das ist also nicht praktikabel.

drittens, dass Beleghebammen in der 1:1-Betreuung den Betreuungsvertrag mit der werdenden Mutter bis maximal zur 38. Schwangerschaftswoche abschließen müssen, wodurch sich Frauen nicht mehr kurzfristig für die Betreuung bei einer persönlich bekannten Hebamme entscheiden könnten.

viertens, dass Beleghebammen in der 1:1-Betreuung eine persönliche Vertretung benennen müssen, die als einzige einspringen darf, falls sie selbst verhindert sind. Andere Hebammen könnten im Notfall nur dann helfen, wenn die Frau selbst zahlt – die GKV übernehmen dann keine Kosten mehr.

All diese Kriterien gehen an der Arbeitsrealität von Beleghebammen und dem Bedarf von Müttern vorbei – was den Gesetzlichen Krankenkassen sehr wohl bewusst sein müsste. Werden die Regeln jedoch nicht eingehalten, könnten Beleghebammen ihre Leistungen künftig nicht mehr mit den GKV abrechnen. In der Folge müssten sie also viel mehr Anfragen absagen, Frauen in anderen Kliniken schicken und/oder privat abrechnen. Das Ergebnis ist eine deutlich schlechtere Versorgung für werdende Mütter.

Denn kommen die neuen Vergütungsregeln, werden sich sehr viele freiberuflich arbeitende Beleghebammen nicht mehr leisten können, ihre Dienste in Kliniken anzubieten. Sie fest anzustellen, ist auch keine Lösung – denn vielerorts war die Umwandlung ins Belegsystem die letzte Rettung, um einen Kreißsaal nicht schließen zu müssen. Wie dramatisch die Lage heute schon ist, können Sie auf der „Landkarte der Unterversorgung“ und der „Landkarte der Kreißsaalschließungen“ des Deutschen Hebammenverbandes sehen (www.unsere-hebammen.de).

Die geplanten neuen Regeln können also nur eines bedeuten: Weitere Geburtsabteilungen werden einfach schließen. In Selb wurde vor einigen Jahren die Geburtsabteilung geschlossen. Frauen aus Selb und Umgebung haben momentan noch die Möglichkeit, ihre Kinder in den Kliniken in Marktredwitz oder Hof auf die Welt zu bringen. Schließungen auch dieser Kreißsäle würden weite Fahrten zu den nächsten Kliniken nach sich ziehen. Muss, weil andere Frauen früher in der Klinik waren, dann die Geburtshilfe vielleicht sogar selbst bezahlt werden? Wir wünschen keiner werdenden Mutter, dass sie die wunderbare Zeit von Schwangerschaft und Geburt mit Angst darüber verbringen muss, wie, wo und mit wessen Hilfe sie ihr Kind bekommt. Das Beleghebammensystem darf nicht so stark eingeschränkt werden, wie es aktuell geplant ist. Wir brauchen unsere Hebammen!

Wir bitten Sie innständig, sich für das Thema einzusetzen. Bitte teilen Sie uns mit, was Sie für die klinische Geburtshilfe tun können und werden.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Rudolf Pruchnow, Stephan Rummel, Adolf Lindner im Namen der Freien Wähler Selb

 

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Unser Foto zeigt die Hebamme Johanna Jankowski zusammen mit den stellvertretenden Vorsitzenden der Freien Wähler Selb, Stephan Rummel der sich für den tollen Beitrag und das Engagement der Rednerin bedankte.

 

selb-live.de – Presseinfo Freie Wähler Selb

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