27.4.2016 – „Die polizeilichen Zuständigkeiten im Landkreis Wunsiedel für Selb und Marktredwitz werden auf Vorschlag des Polizeipräsidiums Oberfranken ab Herbst 2016 optimiert und nach einem Jahr sorgfältig geprüft!“ – So heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung des Bayerischen
Innenministeriums als Ergebnis des „Runden Tischs“ zur Polizeiinspektion. Veröffentlicht am gestrigen Abend. Noch kurz zuvor fand - wie auf selb-live.de berichtet – in München die besagte Diskussionsrunde u.a. mit Vertretern aus der Fraktionen des Selber Stadtrats und Oberbürgermeister Uli Pötzsch zusammen mit Innenstaatssekretär Gerhard Eck statt. Knapp drei Stunden lang wurden noch einmal zahlreiche Argumente erläutert. Welche Veränderungen es nun aber hinsichtlich der Polizeisituation in Selb und dem Landkreis geben wird, das schien für die Selber Kommunalpolitiker während der Diskussionsrunde offen. Ohne Ergebnis fuhr man enttäuscht in Richtung Heimat, hätte gerne gute Nachrichten verkündet, vielmehr blieb das Gefühl, dass für den Staatssekretär der Bürgerwille in keinster Weise zählen würde.
Tatsächlich schien eine Entscheidung aber wohl längst schon im Vorfeld gefallen zu sein, wenngleich es in der Pressemitteilung vom Mittwochabend heißt, dass die besagte Optimierung Bayerns Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) nach dem Runden Tisch entschieden habe. „Wir haben die Argumente sehr intensiv diskutiert und abgewogen", wird Eck zitiert. „Ich bin überzeugt, dass die Polizei in der Region mit der Neuorganisation und den zusätzlichen Stellen deutlich leistungsfähiger wird. Dadurch können wir das Personal noch effektiver, effizienter und bürgernäher einsetzen. Die Bürgerinnen und Bürger werden von mehr Polizeipräsenz und zusätzlichen Polizeistreifen profitieren."
Wie der Staatssekretär erläutert, stehen in Selb und Marktredwitz durch das Zusammenlegen von Verwaltungsaufgaben zukünftig sieben Polizisten mehr für Streifenfahrten zur Verfügung. Bis zu fünf uniformierte Polizeistreifen können nun zeitgleich für Sicherheit sorgen. Dazu kommen spezielle Fahndungsstreifen in zivil. „Auf jeden Fall werden wir die neue Polizeistruktur nach einem Jahr gründlich auf den Prüfstand stellen und nötigenfalls nachjustieren", sichert Eck laut Presseinfo zu.
In Selb soll eine sogenannte Polizeiinspektion Fahndung als Spezialdienststelle zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität mit zunächst 35 Beamten eingerichtet werden. Bis 2018 werde die Dienststelle auf 45 Fahnder aufgestockt und damit die Fahndung im Grenzbereich zu Tschechien verstärkt.
„Die Dienststelle steht selbstverständlich auch Bürgerinnen und Bürgern als Ansprechpartner und bei Notfällen zur Seite", so der Staatssekretär. Außerdem erhalte Selb eine Polizeiwache mit zwölf Polizistinnen und Polizisten, die werktags zwischen 6 und 22 Uhr sowie Sonn- und Feiertags zwischen 8 und 18 Uhr besetzt sein soll. Außerhalb der Öffnungszeiten soll es dort eine Sprechstelle mit Videoübertragung zur Polizeiinspektion Marktredwitz geben. „Damit haben in Selb zukünftig 57 Polizistinnen und Polizisten ihren Dienstsitz, 17 mehr als bisher", rechnet Eck vor. In Marktredwitz werde im Gegenzug die bisherige 18-köpfige 'Fahndungsgruppe Schirnding' in die neue Polizeiinspektion Fahndung in Selb integriert. Zukünftig soll es eine leistungsstarke Polizeiinspektion Marktredwitz mit 65 Polizeistellen geben. Zwölf dieser Polizisten sollen auf der Polizeiwache Selb eingesetzt werden. „Durch einen deutlich schlankeren Verwaltungsapparat und zehn zusätzlichen Stellen haben wir dann deutlich mehr Polizisten für die Polizeiarbeit in der Region", rechnet Eck in der Pressemitteilung vor. Wie der Staatssekretär hierin weiter erklärt, hat das Polizeipräsidium Oberfranken dazu bereits ausgefeilte Streifenpläne erstellt. Künftig soll es für Selb und Marktredwitz zwei feste Streifenbereiche geben. In beiden Streifenbereichen sind jeweils eine feste Polizeistreife sowie Fahndungsstreifen eingeplant. Zusätzlich sind ein bis zwei zusätzliche Polizeistreifen möglich. Dazu kommt in Selb eine Bedarfsstreife der Polizeiwache. Koordiniert werden die Streifen von der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums. Diese kann im Notfall auch weitere Unterstützungskräfte der umliegenden Dienststellen alarmieren. „Das ist eine ganz erhebliche Verbesserung der Streifenpräsenz und der Schleierfahndung in der Region", betont der Innenstaatssekretär in der Info abschließend. „Wir erhöhen dadurch die Bürgernähe, stärken die Kriminalitätsbekämpfung und intensivieren den Kontrolldruck."
Die Pressemitteilung mit der Entscheidung des CSU-Mann Eck wurde am gestrigen Abend veröffentlicht. Zu einem Zeitpunkt, als die Selber Kommunalpolitiker erst aus München wieder zurückgekommen sind. Von wegen Ergebnis noch offen. Längst, so scheint es nun zwangsläufig, war für das Innenministerium klar, dass die Polizeiinspektion Selb den aktuellen Planungen nach Geschichte ist. Die Enttäuschung bei Oberbürgermeister Uli Pötzsch entsprechend am späten Abend groß. Erst heute Vormittag äußerte er sich gegenüber selb-live.de. „Die Entscheidung fiel schneller als man sich gestern noch vorstellen konnte“, will der Selber Rathauschef sich die Behauptung nicht anmaßen lassen, dass selbige bereits im Vorfeld des „Runden Tischs“ gefallen sein könnte. Klar zeigt er sich mit der grundsätzlichen Entscheidung und dass man auf die vielfältigen Argumentationen seitens der Regionalvertretern nicht eingegangen ist alles andere als zufrieden, „nun müssen wir aber nach vorne schauen und die Veränderungen unsererseits bestmöglich begleiten“, so Pötzsch. Konkret: „Wir werden ganz nah dran bleiben und beobachten, wie die Umstrukturierungen vor Ort gelingen und auch tatsächlich so wie angekündigt in vollem Maße umgesetzt werden“, meint er. Wichtig sei, stets auch immer die Bürgerschaft zu hören. „Detaillierte Infos und Erfahrungen sind nötig, um innerhalb als auch nach dem Probejahr Verbesserungen durchsetzen zu können“, will die Stadt engen Kontakt zum Ministerium als auch dem Polizeipräsidium halten.
Wolfgang Kreil, Fraktionsvorsitzender der CSU/FWS im Selber Stadtrat, sieht die Situation ähnlich. „Über die Erfahrungen der Bürger haben wir die wohl einzige Möglichkeit, noch Einfluss nehmen zu können und so Optimierungen vor Ort zu erreichen“, erklärt er. Schnelle Entscheidungen seien seiner Ansicht nach zwar begrüßenswert. Dass Eck dann allerdings, nachdem seit mehreren Monaten darüber diskutiert wird, nun doch so zügig ohne jegliche Kompromisse die Veränderungen der Polizeistrukturen entschieden hat, das will auch Kreil nicht verstehen. „Darauf haben wir aber keinen Einfluss, müssen daraus jetzt aber das Beste machen“, zeigt er sich zumindest dahingehend erfreut, dass man in Selb und der Region Geschlossenheit demonstriert habe.
„Wir sind seit Monaten nur verarscht worden“, findet der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Wejmelka drastische Worte. Er stellt sich die Frage, warum man denn überhaupt noch zu einem „Runden Tisch“, der zunächst in Selb angedacht, dann aber in München stattfand, eingeladen wurde. „Das war doch im Vorfeld schon alles entschieden“, ist er sich sicher, dass die gestrige Diskussionsrunde folglich nur eine Farce war. Und diese war es für Wejmelka auch inhaltlich. „Die zahlreichen an das Innenministerium gesandten Schreiben verschiedenster Selber Organisationen kommentierte man in die Richtung, warum diese sich denn überhaupt in die Polizeiarbeit einmischen müssten. Dazu wurde die Aufregung aus der Bevölkerung in Punkto Polizeiinspektion mit der einer Schließung beispielsweise einer Sparkassenfiliale in kleinen Gemeinen verglichen“, blickt er zurück. „Wir als Kommunalpolitiker haben die Interessen unserer Bürger weitergetragen. Der Bürgerwille zählt aber in München nicht“, schimpft er und wundert sich nicht, dass die Glaubwürdigkeit gänzlich verloren gehe und bei den Bürgern immer mehr Politikverdrossenheit herrsche. „Aber dass man nicht einmal den Mumm hat, uns die Entscheidung ins Gesicht zu sagen und wir das dann kurz nach dem Runden Tisch über die Medien erfahren müssen, das ist ein ganz große Enttäuschung“, so Wejmelka sichtlich unzufrieden.
selb-live.de – Michael Sporer