21.2.2025 – Für den Selber Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt ist 2025 ein besonderes Jahr: Seit 80 Jahren gibt es die AWO in der Porzellanstadt, seit 60 Jahren unterhält sie den Kindergarten auf der Kappel. Das feiern die Mitglieder natürlich, und möglichst viele Menschen aus der Stadt sollen daran teilhaben, findet Vorsitzender Rainer Pohl.
Herzlichen Glückwunsch zum 80-jährigen Bestehen. Wann genau darf man eigentlich gratulieren?
Rainer Pohl: Streng genommen erst im Herbst. Im Oktober 1945 hat Marie Bauer, nach der auch das AWO-Sozialzentrum auf der Kappel benannt ist, mit Unterstützung ihres Mannes Georg den Selber Ortsverein gegründet. Damit war sie schneller als der bundesweite Sozialverband; der gründete sich erst 1946 in Hannover wieder. In den Monaten nach dem Krieg gab es einen erheblichen Bedarf an Hilfe zur Selbsthilfe. Marie Bauer hat schnell reagiert und den Ortsverein aus der Taufe gehoben. Unter dem Terror der Nazis war die AWO verboten gewesen, und es war Marie Bauer bestimmt eine Freude, nach der Verfolgung, dem Verbot und der Verwüstung wieder Menschlichkeit ins gesellschaftliche Miteinander zu bringen.
Was hat ihr die Stadt eigentlich zu verdanken?
Vieles! Die AWO ist ja in der Stadt und darüber hinaus stark präsent: Das Sozialzentrum mit dem Seniorenheim und dem Schülerwohnheim wird vom AWO-Bezirk Ober- und Mittelfranken betreut; das Frauenhaus im Landkreis, das auch für Selb zuständig ist, betreut der Kreisverband; den Kindergarten, unsere Haushaltshilfen, die Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung mit Mittagessen an den beiden Grundschulen organisiert unser Ortsverein. Marie Bauer hätte es bestimmt gefreut, dass ihr Werk auch so viele Jahre später noch so vielen Menschen zugute kommt.
Der Ortsverein ist 80, der Kindergarten 60 Jahre alt. Da nähert man sich eigentlich der Rente…
Unser Kindergarten tut das sicher nicht. Im Gegenteil: Die Stadt Selb errichtet bekanntlich einen neuen Kindergarten im Selber Norden, den wir betreiben werden. Pandemiebedingt hat sich der Bau verzögert, aber dass wir jetzt im Jahr des Doppeljubiläums wohl den Spatenstich erleben werden, nehme ich als gutes Omen. Dort finden dann hundert Kinder in fünf Gruppen einen Platz; wir haben schon vor einiger Zeit angefangen, das nötige Personal anzuwerben und freuen uns über weitere kompetente Verstärkung. In den vergangenen 10 Jahren ist die Zahl unserer Mitarbeitenden von 13 auf immerhin 36 gestiegen. Dank dieser engagierten Kolleginnen und Kollegen können wir von der Wiege bis zur Bahre Angebote machen. Immer getreu unserem Leitmotiv: Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz. Diesen humanistischen Ansatz wissen vor allem viele Eltern zu schätzen; wir sind der einzige konfessionslose Kindergarten in der Stadt und im Landkreis.
Ein Angebot an die Bevölkerung zum Mitfeiern gibt es auch?
Sogar mehrere. Wir planen verschiedene Aktionen im Jubiläumsjahr. Zum Auftakt beteiligen wir uns am 31. Mai am Bürgerfest im Rosenthal-Park mit einem üppigen Kinderprogramm, das auch an die Eltern denkt. Unseren Kindergarten werden wir bei einem großen Sommerfest am 26. Juli in den Mittelpunkt stellen, mit Grillgut, Livemusik und Action für Klein und Groß. Am 20. September feiern wir dann stilvoll mit einem Benefizkonzert im Rosenthal-Theater. Die Beatmusiker der Fellow Rovers haben uns zugesagt, mit den Einnahmen möchten wir unter anderem neue Spielsachen für den neuen Kindergarten anschaffen. Mit Kolleginnen, Kollegen und Freunden soll es im Oktober ein kleines Fest geben und bei unseren Mitgliedern bedanken wir uns im Advent mit einer vorweihnachtlichen Feier. Wir haben übrigens noch Platz für Neumitglieder…
Wo muss man sich anmelden?
Zum Sommerfest und an unseren Stand beim Bürgerfest kann jeder einfach so kommen. Für das Benefizkonzert wird es im Sommer einen Kartenvorverkauf über unser AWO-Büro geben; dort bekommt man auch alle anderen Informationen zu unseren Angeboten.
Wie lautet der Wunsch zum AWO-Geburtstag?
Dass unser Ortsverein noch lange so lebendig bleibt – und dass er für so viele Menschen von den Krabbelkindern in unserem Kindergarten bis zu unseren Senioren, denen wir im Haushalt helfen, ein zuverlässiger Anlaufpunkt bleibt. Die AWO setzt sich seit über 100 Jahren für die Belange der arbeitenden Menschen ein. Mir liegt am Herzen, dass wir das auch in Selb tun.
Kontakt: https://awo-ov-selb.de/ oder 09287/77326
Info: In ihren Ursprüngen ist die AWO Frauensache: Die Arbeiterwohlfahrt wurde am 13. Dezember 1919 auf Initiative von Marie Juchacz, Louise Schroeder, Hedwig Wachenheim und Lore Agnes gegründet; Walter Friedländer war der einzige Gründervater. Marie Juchaz kam aus der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung und hat als erste Frau in einem deutschen Parlament, der Weimarer Nationalversammlung, das Wort ergriffen. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich die besondere Verpflichtung der Arbeiterwohlfahrt, sich aktiv für Geschlechtergerechtigkeit zu engagieren und sich für die Stärkung der Autonomie nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ einzusetzen. Die AWO tritt an, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und um den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen. Heute zählt die AWO zu den ältesten der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Deutschland.
Das Bild zeigt einen Teil der Vorstandschaft der AWO Selb (von links): Rainer Pohl, Jürgen Jackwerth, Ursula Richter, Jochen Goller und Monika Huscher.
selb-live.de – Presseinfo AWO Selb