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31.7.2025 - In der jüngsten Sitzung des Selber Stadtrats wurde ein fraktionsübergreifender Antrag der CSU, SPD, FWS und der GRÜNEN behandelt, der auf die Entwicklung alternativer Planungen für den ersten und zweiten Bauabschnitt (BA 1 und BA 2) des Munitor-Projekts (Outlet Center Selb) abzielt. Der Antrag wurde nach intensiver Debatte mit 13:8 Stimmen angenommen. Die Fraktion der „Aktiven Bürger Selb“ stimmte geschlossen dagegen – und übte dabei deutliche Kritik an Inhalt, Zeitpunkt und Tonfall des Antrags.

Antrag auf Alternativplanung: Sorge um Stillstand beim Munitor-Projekt

Vorgetragen wurde der Antrag im Namen der vier Stadtratsfraktionen von Wolfgang Kreil (CSU). Er begründete das Anliegen damit, dass seit längerer Zeit keine erkennbare Aktivität mehr von Seiten der Munitor-Gruppe zu beobachten sei – weder Baufortschritte noch Immobilienankäufe. Auch fehle es an Kommunikation mit dem Stadtrat, sowohl zur „Neuen Mitte Selb“ (BA 2) als auch zum restlichen Teil des Outlet Center-Projekts (BA 1). Die öffentlich sichtbare Dynamik des Projekts sei „verloren gegangen“, so Kreil. Der anfängliche Schwung sei verpufft, selbst im fertiggestellten Teil fehle dieser gänzlich

Kreil stellte klar: „Wir haben große Zweifel an der grundsätzlichen Realisierbarkeit des ganzen Projekts.“ Der Antrag solle sicherstellen, dass die Stadt ab dem Jahr 2027 – wenn rechtlich neue Planungen möglich werden – nicht unvorbereitet sei, sondern eigene Alternativen in der Schublade habe.

Auch andere Fraktionsvertreter – darunter Walter Wejmelka und Kai Hammerschmidt (beide SPD) – unterstützten diese Sichtweise. Man wolle sich nicht in die jetzige Planung „einmischen“, sondern lediglich für einen möglichen Plan B gewappnet sein. Hammerschmidt forderte zudem, dass der Investor Patrick Müller von der Munitor-Gruppe den Stadtrat über den Stand der Dinge informieren solle.

 

Anneliese Schade: „Ein fataler Fehler – Stadt und OB arbeiten sehr wohl aktiv“

Anneliese Schade reagierte für die Fraktion der Aktiven Bürger Selb entschieden auf den Antrag. In einer ausführlichen Stellungnahme wies sie die zentrale Argumentation zurück – und verteidigte sowohl den Oberbürgermeister als auch die Verwaltung. Sie sprach von einem „Versuch, die Bevölkerung zu verunsichern“ und einem „grundlosen Vorwurf der Untätigkeit“ gegenüber Rathaus und Stadtspitze.

Schade erinnerte an die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses vom 21. Mai 2025, in der Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch die rechtlichen Rahmenbedingungen ausführlich dargelegt hatte.
Für den Bauabschnitt 1 existiere ein rechtsgültiger städtebaulicher Vertrag, dessen Laufzeit bis 2028 reiche. Weder eine Kündigung nach §15, noch eine Änderung oder Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 205 FOC gemäß §3 des Vertrags sei aktuell möglich. „Somit ist eine Veränderung derzeit ausgeschlossen“, so Schade.

Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass sämtliche bisher getätigten Dienstleistungen – Planungen, Gutachten etc. – weiterhin nutzbar seien, auch für Drittinvestoren. Einem zentralen Vorwurf der Antragsteller hielt sie entgegen: Die Stadt habe sehr wohl Ideen und Pläne zur Nachnutzung entwickelt – viele davon würden bereits in späteren Tagesordnungspunkten behandelt.

Sie nannte in diesem Zusammenhang u.a. kulturelle Nutzungen, studentisches Wohnen, altersübergreifende Wohnformen sowie andere Projekte zur Quartiersentwicklung. Diese hätten – im Gegensatz zur Darstellung der Antragsteller – in den vergangenen Jahren Fördermittel in Millionenhöhe generiert und die Stadt sichtbar vorangebracht, so z.B. durch Großprojekte wie die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen. „Dafür braucht es keinen Antrag, sondern kontinuierliche Verwaltungsarbeit – die findet statt“, betonte sie.

 

Kritik an Signalwirkung des Antrags: „Schädlich für Investorenklima“

Ein weiterer Kernpunkt ihrer Kritik: Die Signalwirkung des Antrags gegenüber bestehenden und potenziellen Investoren. „Das öffentliche Anprangern des Stillstands eines privaten Bauvorhabens und das Aufstellen von Scheiternszenarien als Grundlage für Stadtplanung ist hochriskant“, warnte Schade.

Ein solches Vorgehen könne nicht nur die Beziehung zur Munitor-Gruppe belasten, sondern auch zukünftige Investoren abschrecken. Stattdessen forderte sie konstruktive Vorschläge und eigene Initiativen der Antragsteller, wie sie in der Vergangenheit „leider vermisst“ worden seien.

 

Verwaltung warnt vor Überlastung – Externe Planung nötig

Auch Bauamtsleiter Daniel Ruckdeschel meldete sich zu Wort und gab zu bedenken, dass die Umsetzung des Antrags eine erhebliche personelle und planerische Belastung für die Bauverwaltung bedeute.

Die Verwaltung sei derzeit mit zahlreichen laufenden Projekten ausgelastet, wie etwa mit der Schaffung zusätzlicher Kindergarten- und Hortplätze, dem Neubau des Feuerwehrhauses in Silberbach sowie der Sanierung des VHS-Gebäudes.

Sollten alternative Planungen tatsächlich erstellt werden, müsse ein externes Planungsbüro beauftragt werden. Die Kosten dafür müssten im Haushalt 2026 eingeplant werden, so Ruckdeschel.

 

Schärfer werdender Ton im Rat – Diskussion um Stadtratskommunikation

Im weiteren Verlauf der Debatte wurde auch der Tonfall zwischen einigen Ratsmitgliedern und dem Oberbürgermeister schärfer.

Matthias Müller (CSU) versuchte zu betonen, dass der Antrag nicht gegen das aktuelle Team des Outlet Centers gerichtet sei. OB Ulrich Pötzsch entgegnete, dass diese Aussage nicht glaubwürdig sei – Outlet-Center-Managerin Petra Dierck, als Zuhörerin anwesend, habe bei dieser Bemerkung mit dem Kopf geschüttelt.

Müller warf Pötzsch daraufhin Populismus vor, der wiederum konterte, dies sei nicht sachlich – ebenso wie der Antrag selbst.

 

Abstimmung

Trotz der Gegenargumente und kontroversen Debatte wurde der Antrag mit 13:8 Stimmen angenommen. Die Fraktion „Aktive Bürger Selb“ blieb in ihrer Ablehnung geschlossen.

Ob und wie schnell die Verwaltung nun mit den Vorbereitungen für alternative Planungen beginnen wird, hängt auch von der Haushaltslage 2026 sowie den politischen Diskussionen der kommenden Monate ab.

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