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selb erkersreuth 05191.5.2019 - Seit 25 Jahren gibt es auch in Selb eine „Selbsthilfegruppe Aphasie und Schlaganfall“. Am Freitag feierte die Gruppe ihr Jubiläum mit einem Festakt. Gruppenleiter Jürgen Cienskowsky gab dabei einen Rückblick, Vorsitzender Thomas Loch vom Landesverband Aphasie Bayern und Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch würdigten das Engagement der Gruppe.

„1993 versuchte eine Frau nach zwei überstandenen Schlaganfällen, in Selb Anschluss an eine Selbsthilfegruppe für Schlaganfall-Patienten zu finden. Sie musste feststellen, dass es in Selb keine solche Gruppe gab. Zusammen mit der Krankenkasse AOK wurde die Idee geboren, eine entsprechende Gruppe zu gründen. So entstand eine kleine Gruppe mit fünf betroffenen Frauen. Wir sind der Gruppengründerin Ute Mende dankbar, dass sie trotz ihrer Erkrankung die Initiative ergriffen hat, die Gruppe zu gründen und zu leiten.“ Mit diesen Worten blickte der heutige Gruppenleiter Cienskowsky die Gründung zurück.

Die Ziele der Gruppe umschrieb er mit den Worten: „Wichtig war und ist, die Kontakte miteinander zu pflegen und mit dem Handicap in die Öffentlichkeit zu gehen. Denn eine der Auswirkungen fehlender Sprache, vielleicht noch verbunden mit einer halbseitigen Lähmung, ist der Verlust von sozialen Kontakten.“ 2003 übernahm Günther Küspert die Gruppe. Der mittlerweile verstorbene Leiter war bisher das einzige Ehrenmitglied, berichtete Cienskowsky. Im Januar 2009 übernahm dann Klaus Benker das Amt des Gruppenleiters. Küspert wie Benker waren selbst Betroffene.

Seit 2015 leitet nun Jürgen Cienskowsky die Gruppe, nachdem Klaus Benker unerwartet verstarb. „Der Grundsatz, dass ein Betroffener die Gruppe leiten sollte, ist in manchen Situationen nicht haltbar. Leider konnte von den Betroffenen keiner diese Aufgabe übernehmen. Ich bin als Angehöriger in die Gruppe gekommen, betroffen war meine Frau.“ Unterstützt wird Cienskowsky in der Leitung heute von Gisela Benker und Alma Müller. Für das Schreiben der Geburtstagskarten ist Monika Winnes zuständig. Der Gruppenleiter dankte allen, die mithelfen. Und er dankte den Angehörigen, die es ermöglichen, dass die Betroffenen zur Gruppe kommen können.

Anfangs kamen die Mitglieder noch in verschiedenen Lokalitäten zusammen, mittlerweile trifft sich die Gruppe an jedem zweiten Mittwoch im Monat im Paul-Gerhardt-Haus von 15 bis 17 Uhr. 1999 übernahm der Aphasie-Stützpunkt Bayreuth die Betreuung der Selbsthilfegruppe. Diese Einrichtung heißt mittlerweile „Beratungszentrum Oberfranken für Menschen nach erworbener Hirnschädigung e. V.“ (BZO). Auch deren Geschäftsführerin Heike Frankenberger war gekommen und gratulierte mit einem Vortrag (siehe Kasten).

Die Selbsthilfegruppe bietet ihren Mitgliedern einiges. „Wir pflegen soziale Kontakte. Aphasiker kommen zu Wort, niemand bedrängt sie. Wir hören Fachvorträge zu Themen wie Ernährung, Vorsorgevollmacht, Testament oder Patientenverfügung. Wir hatten Besuche von Ergotherapeuten, Logopäden und Apothekern. Wir singen gemeinsam – viele Aphasiker können singen, auch wenn das Sprechen oft nur sehr eingeschränkt möglich ist. Wir unternehmen Ausflüge wie nach Bayreuth, Dresden oder Bamberg. Und wir treffen uns zu Festen wie dem Wiesenfest, Kirchweihessen oder Sommerfest. Und wir feiern miteinander Weihnachten und Fasching.“ Cienskowsky dankte dem Freistaat Bayern, der die Arbeit der Gruppe mit 400 Euro pro Jahr fördert, sowie den Krankenkassen, die großzügig Mittel bereitstellen, so dass die Gruppe dieses umfangreiche Programm bieten könne.

Oberbürgermeister Ulrich Pötzsch würdigte das langjährige Engagement der Selbsthilfegruppe und dankte allen dort Aktiven: „Selbsthilfegruppen wie Ihre sind eine wichtige Säule im Gesundheitswesen. Das Gesundheitswesen würde ohne solche Gruppen nicht funktionieren.“ Kritik übte das Stadtoberhaupt am Gesundheitswesen: „Die Politik entscheidet hier oft am Grünen Tisch über die finanzielle Ausstattung des Systems. Die Zeit am Patienten soll möglichst reduziert werden über die Fallbehandlungszeiten. Oft bleibt der Mensch dabei auf der Strecke. Dabei sehen wir alle, wie in den unterschiedlichen Einrichtungen die Menschen am Limit arbeiten. Es ist nicht der richtige Weg, der hier eingeschlagen wird.“ Der OB übergab Gruppenleiter Cienskowsky eine Zuwendung in Höhe von 200 Euro.

In einem sehr persönlichen und berührenden Grußwort überbrachte Vorsitzender Thomas Loch die Grüße des Aphasie-Landesverbands. Er hielt fest: „Vor dem Malheur mit der Sprache war alles so einfach. Wir konnten ausdrücken und sagen, was wir wollen. Dann war plötzlich alles weg wie bei mir bei meinem Schlaganfall mit 48 Jahren. Aber es ist nicht alles weg, es ist nur alles anders. In den Sekunden nach dem Malheur ging gar nichts mehr. Heute habe ich die Möglichkeit, mein Grußwort sprachlich rüberzubringen.“ Selbsthilfegruppen seien sehr wichtig, so der Vorsitzende des Landesverbands. „Es sind Gruppen, wo man hingehen und sich wohlfühlen kann, weil es dort Menschen gibt, denen es genauso dreckig geht wie einem selbst, aber denen man das sagen kann.“ Loch empfahl den Selber Gruppenmitgliedern: „Bemüht euch, an euch zu glauben und macht das, was geht.“ 

 

„Umgehen mit der völlig neuen Situation“

Die Diplom-Sozialpädagogin und fachliche Leiterin des BZO Heike Frankenberger machte in ihrem Kurzvortrag über „Aphasie und Selbsthilfe“ deutlich: „Es ist keine Selbstverständlichkeit , Betroffenen und Angehörigen zu helfen und ihnen zu sagen, wie man mit der völlig neuen Situation umgeht. Wir können als Außenstehende nicht sagen, wie ihr euch fühlt. Ihr seid die Starken – als Angehörige und als Aphasiker. Betroffene sind halbseitig gelähmt und können nicht mehr sprechen. In der Familie fehlt ein Gesprächspartner, Freunde fallen weg. Die Selbsthilfegruppe bietet die Chance zu neuen Freunden.“

Frankenberger begrüßte den Wandel von der Integration zur Inklusion: „Integration heißt nur dabei sein, Inklusion heißt echte Teilhabe. Viele brauchen Monate, bis sie mit der Krankheit zurechtkommen. In der Selbsthilfegruppe treffen sie auf unterschiedliche Menschen, denen es besser oder schlechter geht.“ Sie ermunterte die Mitglieder der Selber Gruppe: „Bleibt, wie ihr seid. Geht weiter zur Gruppe. Jeder einzelne macht die Gruppe stark. Und das Wichtigste: Traut euch zu sprechen, auch wenn manches Wort nicht richtig herauskommt!“

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Foto: Dank mit Blumen an die Aktiven: Anette Blome-Hoffmann, Alma Müller, Gisela Benker, Eva Rogler und Monika Winnes (vorne von links). Thomas Loch vom Aphasie-Landesverband. Vorsitzender Jürgen Cienskowsky, Heike Frankenberger vom BZO und OB Ulrich Pötzsch (hintere Reihe von links) dankten allen für ihr Engagement. 

selb-live.de – Presseinfo

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