16.7.2021 – Selb. So umständlich der Vortragstitel auch lautete, so anschaulich und lebensnah waren die Impulse, die der Priester und Domvikar Paul Weismantel von der Diözese Würzburg rund 50 Priestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des katholischen Dekanats Kemnath-Wunsiedel jüngst beim Dekanatsjahrtag 2020 in Selb auf Einladung von Dekan Hans Klier mit auf den Weg gab.
Unter dem Motto „Anfänglich und abschiedlich leben – lebendig glauben – gläubig handeln“ vermittelte der Gastreferent wertvolle Gedanken für eine bewusste und positive christliche Lebenshaltung.
Zum „anfänglichen und abschiedlichen Leben“ gehört nach Auffassung des Domvikars, der auch Spiritual im Priesterseminar von Würzburg und Leiter des Referats geistliches Leben der Diözese ist, vor allem ein bewusster Blick auf Anfang und Ende des Lebens sowie „die Bereitschaft, über Grunderfahrungen des Lebens nachzusinnen“. Weismantel: „Ohne Anfang gibt es kein Leben. Gott hat jedem Menschen den Odem der göttlichen Atemkraft eingehaucht; dieser Lebensodem begleitet uns bis zum letzten Atemzug auf dieser schönen und manchmal schrecklichen Welt.“
Menschen bewegten sich häufig in einem „Wartesaal des Lebens“ vom Kreissaal der Geburt bis zum „letzten Wartesaal“ im Pflegeheim oder Krankenhaus, in der Palliativstation oder im Hospiz. „Die wenigsten Menschen sterben heute zu Hause in den eigenen vier Wänden. Und niemand hat sich aussuchen können, wo er geboren wurde. Vielleicht überwiegen Staunen und Dank, dass man gerade in diese Situation und Familie hineingeboren wurde. Vielleicht gibt es den Gedanken, dass es besser gewesen wäre, woanders und in eine andere Lebenssituation hineingeboren worden zu sein.“
Die Milieus und Lebenswelten seien heute sehr unterschiedlich. „Da treffen Ehepartner aufeinander, wo beim einen das Tischgebet dazu gehört, während der andere ungetauft ist und noch nie ein Gebet gesprochen hat. Und auch in katholischen Familien ist es ein Unterschied, ob jemand als Einzelkind oder in der Großfamilie aufwächst. In manchen Familien wurde viel gelacht, in anderen Familien gab es nichts zu lachen. Es gibt beliebte und totgeschwiegene Personen in den Familien.“
Die Lebensgeschichte jedes Menschen sei auch eine „Lebens-, Leidens- und Auferstehungsgeschichte Gottes mit den Menschen. Der liebende und lebendige Gott teilt Schmerz, Bedrückung und Leid mit uns Menschen, schenkt und begleitet aber auch immer wieder den Neuanfang.“ Die biographischen Erinnerungen an die Anfänge des eigenen Lebens prägten die Menschen nachhaltig. „Das sind Eindrücke, Bilder, Situationen und Empfindungen bis hin zu Gerüchen aus Elternhaus, Kindheit und Schulzeit. Im kirchlichen Bereich sind es Erinnerungen an die eigene Gemeinde, die man erlebt hat, die Erstkommunion, auch die Kirche als Gebäude. All das zeichnet sich in das Buch des Lebens ein.“
Aus diesen Anfängen heraus entwickle sich das persönliche Leben. „Man sehnt sich danach, Ziele zu haben und zu erreichen. Schule, Ausbildung, Familie, Studium und Beruf, Priesterweihe. Und dann fängt’s eigentlich erst richtig an. Immer wieder kommt es zu Veränderungen oder Stellenwechseln. Dabei stärkt der Hinweis von Hermann Hesse, dass jedem Neuanfang ein Zauber innewohne.“
Was für Anfänge gelte, gelte auch für Abschiede im Leben und in der Trauerarbeit. „Trauer begleitet unser Leben. Wir trauern um Eltern oder Kinder, um Freunde und Bekannte. In der Trauer brauchen wir die Erfahrung von Trost und Tröstung. Christlicher Trost ist echter Trost, weil er von Gott selbst kommt. Wir erfahren Trost, weil Gott treu ist und wir ihm vertrauen können. Dieses Vertrauen zu Gott ist eine Urkraft für unser Leben.“
So gehörten Anfang und Abschied, Beginn und Ende im Leben immer zusammen. Wichtig sei es, dem geistlichen Leben Raum zu geben. „Leider fühlen sich viele Menschen nicht immer im Leben beschenkt, sondern oft beleidigt und benachteiligt. Viele reden zuerst über Krankheiten, Leid und jetzt Corona als über anderes. Umso wichtiger ist es, bewusst zu leben.“ Er zitierte Hilde Domin, die den Anfang des berühmten Johannes-Prologs mit den Worten deutet: „Gott gab uns das Wort, und wir wohnen im Wort.“ Auch andere Schriftsteller und Autorinnen wie Herta Müller, Edith Stein und Richard Rohr zitierte der Domvikar mit Aussagen zum Thema. Meditative Orgelstücke ergänzten den Vortrag mehrfach, dargeboten von Regionalkantor Stephan Merkes.
Vom Johannes-Evangelium über die Paulus-Briefe bis hin zur Offenbarung des Johannes spannte Weismantel schließlich einen Bogen ins Neue Testament. Er unterstrich: „Anfänglich und abschiedlich zu leben heißt, jedem noch so schmerzlichen Abschied doch die Hoffnung auf das Wiedersehen zu geben. Diese Hoffnung schenkt der christliche Glaube.“ Der Domvikar illustrierte dies an mehreren Liedern aus dem katholischen Gesangbuch „Gotteslob“. Auch Anfangs- und Abschiedsrituale wie Tisch- und Abendgebet seien wichtig: „So kann Leben wachsen und gedeihen.“
Als Fazit hielt Weismantel fest: „Es geht im Christentum darum, lebendig zu glauben und gläubig zu handeln. Es geht um das Einüben von Grundhaltungen, weil aus den Grundhaltungen das Verhalten erwächst. So können wir füreinander und für die Welt zum Heil und Segen werden.“ Der tiefgründige Vortrag des Gastes aus Würzburg erhielt viel Applaus.
selb-live.de – Presseinfo