1.11.2017 – „Wenn die Frauen über öffentliche Fragen sprechen, so ist das wirr und unpassend, dass nichts darüber hinaus geht. Daher ist klar, dass die Frau für den Haushalt geschaffen ist, der Mann aber für das öffentliche Leben, für Kriegs- und Rechtsgeschäfte.“
Nun, ein glühender Frauenrechtler und Feminist war Martin Luther ganz gewiss nicht, von dem diese Sätze stammen. Aber als großer Kirchenreformator hat er im 16. Jahrhundert trotzdem die Kirche und die Welt verändert.
Mit einem Gottesdienst mit Texten und Liedern Luthers in der Martin-Luther-Kirche und einem Festmahl mit Speisen wie zur Luther-Zeit im Turnerheim des TV Selb-Plößberg würdigte die Kirchengemeinde Erkersreuth unter dem Motto „Beten und Essen mit Luther“ am Reformationstag den Reformator und das 500jährige Reformationsjubiläum. Pfarrer Jürgen Henkel nutzte dabei einmal mehr sein parodistisches Talent und schlüpfte selbst in die Rolle Martin Luthers, um Nachdenkliches und Heiteres aus Tischreden Luthers zum Besten zu geben.
Im schwarzen Talar und mit einem Barett auf dem Kopf legte Pfarrer Henkel los. Er begrüßte die über 60 Teilnehmer des Festmahls mit selbst verfassten Versen. Darin markierte er die lutherischen Glaubenserkenntnisse unter anderem mit den Worten: „Kehrt um und glaubt an Gottes Wort, werft Ablass, Fegefeuer fort! Glaubt nur an Christus, Gottes Sohn, statt an den Papst auf seinem Thron. Vertraut dem Glauben ganz allein, so werdet ihr gerettet sein. Denn Gottes Gnade macht euch frei und nicht des Papstes Geschäfterei mit Ablasshandel und Verdiensten und allen bibelfremden Künsten. Zum Heil kommt ihr allein durch Glauben, auch wenn die Feinde Gottes schnauben. Denn wenn ihr nur an Christus glaubt, seid ihr dem Teufel schon geraubt.“
Im Anschluss konnten die Gäste eine feine Kürbiscremesuppe, herzhaften Spanferkelbraten mit Semmelknödel und Kohlrübenkraut sowie Hefebuchteln als schmackhaftes Dessert genießen. Zu den einzelnen Gängen „servierte“ Jürgen Henkel als „Martin Luther“ besinnliche und auch heitere Abschnitte aus Luthers Tischreden.
Mit nachdenklichen Ideen Luthers zu Tod, Hoffnung und Ewigkeit startete der Reigen. Hier zitierte Henkel unter anderem folgende Aussagen zur christlichen Hoffnung: „Alles, was in der ganzen Welt geschieht, das geschieht in Hoffnung. Kein Bauer säete auch nur ein Korn aus, wenn er nicht die Hoffnung auf die Saat hätte. Kein Jüngling würde heiraten, wenn er nicht die Hoffnung auf Nachkommenschaft hätte. Kein Kaufmann oder Taglöhner würde arbeiten, wenn er nicht Gewinn und Lohn erwartete. Umso mehr sollte uns die Hoffnung zum ewigen Leben vorwärtsbringen.“
Mahnendes und Warnendes mit fast schon aktuellem Bezug gab es zur Frage von Lebenszufriedenheit und Neid zu hören. Etwa Luthers Kritik: „Das ist der Teufel mit uns, dass niemand genug hat! Wie es Gott mit einem schickt, so gefällt es ihm nicht. Das Los der anderen gefällt uns immer besser: die ergiebigere Saat steht immer auf fremdem Felde; und der Nachbar hat immer das fruchtbarere Vieh. So ist auch niemand mit seinem Beruf zufrieden: das träge Rind möchte gerne einen Sattel tragen, und das Reitpferd möchte vor den Pflug gespannt werden. Je mehr wir haben, umso mehr wollen wir haben.“ Nach diesen kritischen Worten Luthers an die Gesellschaft seiner Zeit sorgte „Martin Luther“ alias Jürgen Henkel für Auflockerung, indem er ein zünftiges Trinklied aus dem Mittelalter schmetterte.
Passend zum süßen Dessert gab es zum Abschluss heitere Passagen aus Luthers Tischreden zum Thema Ehe und Frauen. Hier gab es manche Seufzer und manches Lachen im Publikum, zeigte Pfarrer Henkel doch auf, wie unmodern und konservativ der Reformator in manchen Fragen war. Dabei zeichnet sich Luther immer auch durch Wirklichkeitssinn, Menschennähe und Pragmatismus aus.
So ist für Luther die Ehe „die Grundlage des Hauswesens, der öffentlichen Ordnung, der Religion“ und „göttliche Ordnung“. Henkel zitierte: „Die höchste Gnade Gottes ist es, wenn in der Ehe die Liebe dauernd blüht. Die erste Liebe ist feurig, eine trunkene Liebe, mit der wir geblendet werden und wie die Trunkenen hinangehen. Wenn wir die Trunkenheit ausgeschlafen haben, dann bleibt in den Frommen die echte Eheliebe, die Gottlosen aber haben die Reue. Ein Weib ist bald genommen; aber es stets lieb zu haben, das ist schwer und Gottes Gabe.“
Einer Eheschließung zwischen einem jungen Mann und einer alten Frau gibt Luther durchaus seinen Segen, empfiehlt aber bei der Trauung den Hinweis „seid fruchtbar und mehret euch“ wegzulassen. Zu einer Ehe zwischen einem alten Mann und einem jungen Mädchen weiß er: „Wenn ein Greis eine junge Frau heiratet, so heißt das den Greis bürgerlicher und natürlicher Weise töten.“ Heiratswilligen Männern gibt Luther die Empfehlung: „Wenn man heiraten will, soll man nicht nach dem Vater, sondern nach dem Leumund der Mutter des jungen Mädchens fragen. Warum? Weil das Bier im Allgemeinen nach dem Fass riecht.“
An den Frauen hat der Reformator trotz seiner Bilderbuchehe mit Katharina von Bora gelegentlich verzweifelt, vor allem an deren Zungenfertigkeit: „Frauen reden über die Dinge des Haushalts mit großer Liebe und außerordentlicher Beredsamkeit, und zwar so, dass sie sogar Cicero in den Schatten stellen.“ Für sich zieht er den Schluss: „Wenn ich noch einmal freien sollte, wollte ich mir ein gehorsam Weib aus einem Stein hauen; sonst hab ich an aller Frauen Gehorsam verzweifelt.“
Um nach so viel heute politisch unkorrektem Gedankengut versöhnlich zu enden, zitierte Henkel zum Schluss die wichtige Erkenntnis Luthers: „Stellt euch vor, es gäbe das weibliche Geschlecht nicht. Das Haus und was zum Haushalt gehört, würde zusammenstürzen, die Staaten und die Gemeinden gingen zugrunde. Die Welt kann also ohne Frauen nicht bestehen, sogar wenn die Männer die Kinder selbst auf die Welt bringen könnten.“
selb-live.de – Presseinfo Kirchengemeinde Erkersreuth