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pfarrkonvent17.7.2018 - Die grenzüberschreitende bayerisch-tschechische Zusammenarbeit ist für die Pfarrerinnen und Pfarrer des evangelisch-lutherischen Dekanats Selb und des Priorats Westböhmen der Kirche der Böhmischen Brüder seit vielen Jahren

eine Selbstverständlichkeit. Auch das theologische Gespräch gehört zum regelmäßigen Austausch dazu, wie die jüngste Begegnung von rund 25 Pfarrerinnen und Pfarrern beider Pfarrkapitel in Karlsbad deutlich macht. Dort gab es einen gemeinsamen ökumenischen Studientag über die wieder aktuelle Frage nach dem Verständnis von Nation in beiden Kirchen und ihrer Theologie.

Dekan Dr. Volker Pröbstl aus Selb zeigte sich zu Beginn erfreut über das Zustandekommen des Treffens. „Es ist für uns sehr wertvoll, dass wir gemeinsam ins Gespräch kommen. Wir lernen dabei viel, weil die Christen hier Kirche ganz anders leben und erleben als wir. Umso wichtiger ist die gegenseitige Hilfe durch die Fürbitte, den praktischen Austausch und das gemeinsame theologische Nachdenken.“ Zum Thema hielt der Dekan grundsätzlich fest: „Der Heiland sammelt sein Volk aus allen Völkern der Welt. Wenn wir miteinander beten, dann sammelt uns der Heilige Geist zu seiner universalen Kirche, auch wenn die Kirchen in ihrer Verkündigung an Sprachen und Nationen gewiesen sind.“

Der gastgebende Pfarrer Martin Zikmund von der Gemeinde der Böhmischen Brüder in Karlsbad begrüßte die Pfarrerinnen und Pfarrer des lutherischen Nachbardekanats aus Bayern. Er zählt zu den führenden Theologen seiner Kirche und arbeitet auch als einziger Protestant bei einer renommierten katholischen Zeitschrift in Prag mit. Er hielt fest: „Das Thema ist besonders komplex. Wo kommen die Nationen her? Sind sie ein Teil der Schöpfung oder eine Erscheinung nach dem Sündenfall?“ Das Wiederaufleben nationaler Strömungen in Europa mache es nötig, sich theologisch mit dem Thema zu beschäftigen.  

Der Selber Pfarrer Johannes Herold beleuchtete die Frage der Nation aus Sicht der lutherischen Theologie. Er hielt fest: „Die Menschen haben erst außerhalb des Paradieses ihre ihnen eigentlich zugedachte Existenzform erreicht und dementsprechend ist auch erst mit der Sprachenvielfalt die Schöpfungsgeschichte abgeschlossen. Die Aufteilung der Menschheit in verschiedene Völker und Nationen ist dann vom Biblischen her durchaus positiv zu sehen.“

Die Theologie des 19. Jahrhunderts habe jedoch den christlichen Glauben und die Vaterlandsliebe in eine zu enge Verbindung gebracht. „Die Nation ist zum gottgewollten Schöpfungsprinzip geworden mit fatalen Folgen bis zur evangelischen Theologie im Nationalsozialismus. Doch haben bereits damals auch Theologen wie Emil Brunner und Helmut Thielicke vor einer Überbetonung der Nation und einer Verabsolutierung des eigenen Volkes gewarnt.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es eine Neubewertung der Nation in der evangelischen Theologie Deutschlands gegeben, die Herold mit dem Worten zusammenfasste: „Der Einzelne hat das Recht und die Pflicht zum Patriotismus, seinem eigenen Volk und Land zu dienen. Andererseits ist jeder Einzelne für sich und auch jede Nation insgesamt dem universalistischen Liebesgebot verpflichtet, sich für das Wohl aller Menschen und Nationen auf der Welt einzusetzen.“

Pfarrer Dr. Jürgen Henkel aus Erkersreuth stellte Standpunkte der russischen, rumänischen und griechischen orthodoxen Theologie zum Thema vor. Nachdem speziell der Orthodoxie immer wieder der Vorwurf gemacht werde, nationalistisch zu argumentieren, könne der Befund umso mehr überraschen. „Die zitierten Texte orthodoxer Theologie fassen Nationen und Völker insgesamt nicht primär als gottgegebene Schöpfungsordnungen auf, sondern als zu überwindende Wirklichkeiten infolge der Sünde der Entzweiung der Menschen, die die Bibel mit der Geschichte des Turmbaus zu Babel erzählt.“

Für die orthodoxe Theologie beginne die Überwindung der Nationen, indem der Heilige Geist an Pfingsten das neue heilige Volk Gottes der Christen aus den Völkern der Welt herausrufe und auf den Weg in die himmlische Herrlichkeit führe. „Die Kirche ist ihrem Wesen nach von universalem wie ewigem und übernationalem Charakter. Die Ortskirchen sind an Völker und Nationen gewiesen, dürfen aber nicht im nationalistischen Sinne in den Dienst der Nation gestellt werden. Kirchen bilden eine geistliche Heimat ab, keine politische, auch wenn sie in der Geschichte vor Vereinnahmungen nie gefeit sind. Die Völker und Nationen sind Adressaten der kirchlichen Verkündigung, niemals deren Thema.“

Seitens der Böhmischen Brüder äußerte sich Pfarrer Karel Šimr aus Pilsen. Er fragte: „ Wie ist es zu beurteilen, dass Christen nicht nur christliche Demokraten wählen, sondern auch Kommunisten oder rechte Populisten? Im klassischen Spektrum von links, Mitte und rechts sind die extremistischen Kräfte nicht einzuordnen.“ Die Kirche der Böhmischen Brüder sei vor rund 100 Jahren aus nationalen Werten entstanden. „Heute aber ist unsere Kirche mehr links geprägt, auch im Widerspruch zur Katholischen Kirche, die immer staatstragend sein will. Unsere Kirche versteht sich sehr stark als Kirche der Minderheiten und wir Pfarrer als Pfarrer für Minderheiten.“

Šimr forderte eine Rückbesinnung auf die lutherische Lehre von den zwei Regimentern, dem geistlichen und dem weltlichen. „Wir brauchen diese Lehre. Sie hilft uns auch, grundsätzlich Politik und Kirche nicht zu vermischen.“ Es ergab sich eine spannende Diskussion, bei der beide Seiten immer wieder betonten, dass sich Nation und Nationalismus nicht zur Ersatzreligion aufschwingen dürften. Im Anschluss besichtigten beide Pfarrkapitel gemeinsam die evangelische Kirche St. Laurentius von Chodov (deutsch Chodau). Dort gab es eine gemeinsame Andacht und beide Pfarrkapitel tagten jeweils zu einer eigenen Pfarrkonferenz. Laut Dekan Dr. Pröbstl soll der theologische Austausch fortgesetzt werden.

pfarrkonventselb-live.de – Presseinfo

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