4.8.2017 – Zu einem außergewöhnlichen Abend lud kurz vor Beginn der Sommerferien die Fachschaft Latein des Walter-Gropius-Gymnasiums Selb ein. Anlässlich des 2000. Todestages von Ovid, dem wohl bekanntesten römischen Dichter der Antike,
wurde den Zuschauern ein buntes und abwechslungsreiches Programm geboten. In dessen Verlauf wurden von Schülerinnen und Schülern aus unterschiedlichsten Jahrgängen und Klassen unter der Regie von StDin Christine Göllner und StRin Melanie Ebert nicht nur verschiedene Stationen im Leben Ovids, sondern auch seine vielfältigen Werke auf die Bühne gebracht.
Charmant führte der Götterbote Merkur (Jonas Röder) höchstpersönlich durch den Abend und begeisterte das Publikum immer wieder aufs Neue durch seine humorvolle Moderation. Dabei wurde er tatkräftig von dem Technik-Team rund um Benjamin Münster unterstützt. Die mitreißende Darstellung des bewegenden Schicksals Ovids zog die Zuschauer insbesondere dadurch in ihren Bann, dass Ovid selbst auf der Bühne zum Leben erweckt wurde und seinen Werdegang in Form von unterhaltsamen Rückblicken lebendig werden ließ:
2000 Jahre nach seinem Tod treffen der Dichter selbst (Lukas Purucker), der extra für den heutigen Abend „Sonderurlaub“ vom Totenreich bekommen hat, und die Muse der Dichtkunst (Johanna Veit) im heutigen Constanza am Schwarzen Meer aufeinander. So wirklich begeistert ist Ovid jedoch nicht, ausgerechnet wieder am Ort seiner Verbannung gelandet zu sein, wie sich im Verlauf des witzigen Dialogs zwischen den beiden herausstellt. Wie es dazu kam, dass der gefeierte Superstar Roms in so eine trostlose Region verbannt wurde, wird gleich aufgeklärt: Wenn man den tobenden Kaiser Augustus (Jean-Paul Groß) in imposanter Haltung auf seinem Thron miterleben durfte, kann man sich vorstellen, wie sich Ovid damals gefühlt haben muss, als er wegen seines Werks über die „Liebeskunst“ (Ars amatoria) und eines mysteriösen Fehltritts die Hauptstadt der Kultur und des schönen Luxuslebens verlassen musste. Dass dieser erzwungene Umzug auch Ovids Muse alles andere als gefiel, zeigt sich spätestens in der nächsten Szene: Hier muss sich der Dichter bei der Fahrt übers Mittelmeer nicht nur mit einem maroden Schlauchboot, sondern auch noch mit einer jammernden und lamentierenden Muse herumschlagen.
Nachdem die letzte Schaffensphase Ovids anhand dieser amüsanten Episoden anschaulich dargestellt wurde, lernte das Publikum nun eine andere Seite des Dichters kennen, die dem Abend zu seinem Namen verhalf: Ovid – der Meister der Verwandlung – war in Rom nämlich vor allem durch seine „Metamorphosen“, also Verwandlungsgeschichten, zu Ruhm und Ehre gelangt. Einen Eindruck davon konnten die Zuschauer durch den Kurzfilm „De raptu Proserpinae“ („Raub der Proserpina“) gewinnen, den die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b im Rahmen des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen gedreht haben. Für ihre herausragende Leistung wurde allen an diesem Beitrag Beteiligten sowie den im Solo-Wettbewerb erfolgreichen Schülern Dennis Schirmer und Josefine Dannhorn eine Urkunde von ihrer Lateinlehrerin StDin Christine Göllner überreicht. Es sollte allerdings nicht bei dieser einen Ehrung bleiben: Auch die Klasse 9ds hatte mit dem vom Deutschen ins Lateinische übertragenen Lied „Ich und mein Holz“, alias „Amo lignum“, an selbigem Wettbewerb teilgenommen und konnte sich ebenfalls über Urkunden freuen, die ihr von ihrer Lateinlehrerin StRefin Madeline Möhrlein überreicht wurden.
Ein weiteres Highlight dieses Abends boten Andrea Rödel und Moritz Täuber dem Publikum, als sie die Metamorphose von Orpheus und Eurydike in Form eines lustigen Sketches zusammenfassten und dafür mit tosendem Beifall bedacht wurden. Die nun folgende Pause konnten die Zuschauer nutzen, um echte römische Spezialitäten zu genießen, welche von einem Team engagierter Schülerinnen hervorragend zubereitet worden waren. Die mit original römischen Tuniken bekleideten Helfer versetzten die Besucher auch hier in die Welt der Antike.
Frisch gestärkt tauchten die Zuschauer nun in die erste Schaffensperiode Ovids ein, der in seinem Frühwerk auch als ein „Doctor amoris“ bekannt war und mit seiner bereits erwähnten Ars amatoria den ersten Flirt- und Benimmratgeber der Literaturgeschichte verfasste. Eindrucksvoll spielten Schülerinnen und Schüler der Klassen 9b und 9ds Textausschnitte dieses Werkes nach und zeigten, dass Ovids Tipps auch heute noch gültig sind, wenn er beispielsweise dem jungen Römer für den ersten Annäherungsversuch rät, darauf zu achten, dass „unter der Achsel […] nicht der stinkende Bock, der Herr der Ziegenherde, haus[t]“. Für ihre witzige szenische Darstellung waren ihnen die Lacher des Publikums sicher. Das Thema Liebe findet sich auch in Ovids „Heroides“ wieder, die den Besuchern beispielhaft durch einen Brief von Paris (Yannick Sonntag) an Helena (Laura Baumgärtner) in Form einer Lesung auf Latein und Deutsch vor Augen geführt wurden. Die Licht- und Schattenseiten einer Liebesbeziehung schildert der Dichter außerdem auch in seinen „Amores“. Vielleicht inspirierte er damit sogar die Beatles zum weltberühmten Song „Yesterday“, den die Schülerin Ronja Pöhler in der lateinischen Version präsentierte. In einer letzten Szene schließlich entführte der lebendig gewordene Ovid die Zuschauer in seine Geburtsstadt Sulmo, wo sein „Sonderurlaub“ leider ein Ende nimmt und er sich von seiner Muse und dem Publikum mit den hoffnungsvollen Worten „Nichts vergeht, alles verwandelt sich“ verabschieden muss. Mit dem gemeinsam gesungenen Studentenlied „Gaudeamus igitur“ endete dieser vergnügliche Abend. Viele Besucher waren sich einig: „Bei so viel Spaß und Unterhaltung kann man bestimmt nicht von einer toten Sprache sprechen.“
selb-live.de – Presseinfo WGG Selb