Drucken

heilig geist selb 061915.6.2019 - Die rasant steigende Zahl der Katholiken in Selb machte vor 50 Jahren die Gründung der Pfarrei Heilig Geist nötig. Zeitzeugen erinnern sich daran. - Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Selb einen beachtlichen Aufschwung der Katholischen Kirche und ihres kirchlichen Lebens, ausgelöst durch den starken Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten,

vor allem aus Schlesien und dem Sudetenland. Das führte 1969 dazu, dass die bis dato als Filialgemeinde von Herz Jesu fungierende Gemeinde der Heilig-Geist-Kirche zu einer eigenständigen Pfarrei erhoben wurde. Mit einem Festgottesdienst feiert die Pfarrei am Sonntag, 16. Juni, ihr 50jähriges Gründungsjubiläum.

Nachdem Selb mit der Einführung der Reformation in der Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth 1528 evangelisch geworden war, vergingen Jahrhunderte, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier wieder katholisches kirchliches Leben aufblühte. Dabei schlug auch der Zuzug katholischer Arbeiter aus Böhmen und der Oberpfalz zu Buche. Seit 1866 war wieder ein katholischer Priester in Selb ansässig. 1900 wurde die katholische Gemeinde zur Pfarrei erhoben. 1916 zählte man hier 3900 Katholiken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderten sich die Verhältnisse durch Flucht und Vertreibung aus dem deutschen Osten schlagartig. Tausende Menschen zogen auch durch das grenznahe Selb, viele blieben hier. Sudetendeutsche, schlesische und einheimische Katholiken verschmolzen so zu einer Gemeinde, die auf 6000 Seelen zunahm. Zu den Heimatvertriebenen, die sich hier ansiedelten und das kirchliche Leben bereicherten, zählte auch der Breslauer Domorganist Günther Nierle, der in seiner neuen Gemeinde als Chorleiter und Organist wirkte. 1949 führte erstmals wieder ein großer Fronleichnamszug durch Selb, zu dem auch evangelische Selber Blumenschmuck beisteuerten.

Nachdem die Kirche Herz Jesu bei Gottesdiensten aus allen Nähten platzte, wurde 1954 an der Hohenberger Straße 60 der Betsaal St. Michael eingerichtet, dem später ein Kinderhort angegliedert wurde. Der Gottesdienstraum wurde gut angenommen, war aber auch rasch zu klein: „Der Betsaal war damals immer rammelvoll. Viele Leute mussten beim Gottesdienst draußen vor der Tür stehen und dort die Messe mitfeiern, weil es innen keinen Platz mehr gab, nicht einmal zum Stehen“, erzählt die 91jährige Agnes Kosel. Es kam immer wieder sogar zu Ohnmachtsanfällen unter den Gläubigen. Sie kann sich gut daran erinnern, wie neben den Messen auch Chorproben und Kindergottesdienste den Betsaal füllten.

Als erste Reaktion der Kirche auf die gewandelten Verhältnisse kam es unter Stadtpfarrer Georg Aichinger im Vorwerkgebiet an der Hohenberger Straße zum Bau der neuen Heilig-Geist-Kirche, die 1961 von Weihbischof Josef Hiltl geweiht wurde. Am 15. Juni 1969 dann wurde die Filialgemeinde Heilig Geist vom Regensburger Bischof Rudolf Graber als zweiter Schritt zur eigenständigen Pfarrei erhoben. Seither gibt es zwei katholische Pfarreien in Selb. Erster Pfarrer war Albert Kobler. Ihm folgte der allseits beliebte Franz Tremmel, der von 1973 bis 2013 hier amtierte. Seither steht die Pfarrgemeinde wieder in einem gemeinsamen Pfarreienverbund mit Herz Jesu unter Wahrung ihrer Eigenständigkeit.

Die Pfarrei Heilig Geist hat heute einen eigenen Pfarrgemeinderat, eine Kirchenverwaltung und Kirchenstiftung, zwei Kindertagesstätten und einen Kirchenchor, den über Jahrzehnte Wilfried Schnurrbusch leitete, sowie einen Singkreis unter der Leitung von Pastoralreferent Martin Winter. Auch die „Dom“-Gemeinde in Längenau gehört zur Pfarrei. Vom Vorwerk aus werden außerdem Gottesdienste in Silberbach angeboten. Bis heute verstehen sich die Katholiken in Selb nach den Worten von Dekan Hans Klier als „eine Gemeinde in zwei Pfarreien“.      

heilig geist selb 06192Wer sich heute mit Zeitzeugen von 1969 unterhält, der bekommt so manche Anekdote serviert. Agnes Kosel und der ebenfalls 91jährige Friedrich Götz denken gerne an die früheren Zeiten zurück. Kosel erinnert sich etwa mit Begeisterung an den Besuch von Kardinal Alfons Maurer aus Bolivien auf Einladung von Pfarrer Kobler. „Der Pfarrer war vorher in Bolivien. Und dann hat uns ein Kardinal von dort besucht. Das war schon etwas Besonderes und ein schöner Festgottesdienst, der erste Besuch eines Kardinals in Selb.“

Und die Katholikin weiß mit einer ökumenischen Geschichte ihre Zuhörer zu erheitern: „Ich war die erste Mesnerin bei evangelischen Gottesdiensten auf dem Vorwerk.“ So feierten die Lutheraner vor dem Bau der Christuskirche in einem Raum des Gasthauses Spannruft ihre Gottesdienste, ihrem Elternhaus. „Da habe ich immer den Altar hergerichtet und die Blumen aufgestellt. Da haben wir schon sehr früh Ökumene gelebt“, erzählt sie stolz. Es war überhaupt eine andere Zeit: „Damals haben Männer sich um alle kirchlichen Sachen gekümmert und die Frauen haben Kaffee gekocht.“ Gefragt waren die Frauen aber trotzdem: „Wenn die jemand gebraucht haben, dann hat’s geheißen: die Kosel macht das schon. Aber es hat auch immer Spaß gemacht.“ So war sie über Jahrzehnte auch als Spendensammlerin für die Caritas unterwegs.

Friedrich Götz, ein anderer Senior der Pfarrei, kann ebenfalls viel erzählen. Er stammt aus Dux bei Karlsbad, kam mit seinen Eltern nach dem Krieg nach Selb und hat für Freunde und Interessenten rund 30 Fahrten in die alte Heimat organisiert, auch schon vor 1989. Götz war über Jahrzehnte im Pfarrgemeinderat und im Kirchenchor engagiert. Er kann sich noch gut an die Zeit der vielen deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen erinnern. „Da sind viele Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft zu einer Gemeinde zusammengewachsen. Die Ernennung zu einer eigenen Pfarrei 1969 war dann die Krönung.“ Es gab ein schönes Gemeindeleben unter anderem mit einem „Club der Gemütlichkeit“ als Seniorentreff, einem Missionskreis, Kindergottesdiensten und dem Kirchenchor.

 

Die Pfarrei Heilig Geist feiert am 16. Juni ihr Gründungsjubiläum

Am Sonntag, 16. Juni, wird die Pfarrei Heilig Geist das 50jährige Jubiläum ihrer Erhebung zur eigenständigen Pfarrgemeinde mit einem großen Festgottesdienst feiern. Dieser beginnt um 9.30 Uhr in der Heilig-Geist-Kirche. Die Festpredigt wird Pfarrer Franz Tremmel halten, der dort 40 Jahre lang als Gemeindepfarrer wirkte.

Die musikalische Begleitung übernehmen Organist Josef Kötzner sowie der Kirchenchor der Pfarrei unter der Leitung von Judith Rösner-Hauswurz. Anschließend lädt die Pfarrgemeinde herzlich zum Gemeindefest ein. Bereits jetzt lädt die Pfarrei auch zu einem Jubiläumskonzert am 20. Oktober mit der Sängerin Brigitte Traeger in der Kirche ein

 

heilig geist selb 06191Bild: Agnes Kosel und Friedrich Götz sind heute 91 Jahre alt und können viele Anekdoten aus dem Gemeindeleben der Pfarrei Heilig Geist erzählen. Dekan Hans Klier erfährt im Gespräch manches aus der Vergangenheit der katholischen Gemeinden von Selb. Fotos: Jürgen Henkel

selb-live.de – Presseinfo