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wgg selb 051918.5.2019 - „Wie kann man beim Bauen auf Nachhaltigkeit achten?“, „Höher, schneller, größer – wie verändern sich Stadtbild und Stadtleben in der Zukunft?“ - mit diesen Themen beschäftigen sich derzeit die Schülerinnen und Schüler der Q11 im Fach Deutsch.

Zum Komplex „Stadt der Zukunft“ im Rahmen des Jubiläumsjahres „100 Jahre Bauhaus“ bereiten die Elftklässler kurze Reden vor; die besten von ihnen dürfen ihre Beiträge anlässlich des Festakts am 5. Juli 2019 im Atrium des Walter-Gropius-Gymnasiums präsentieren.

Fachkundige Unterstützung hat die Kursleiterin OStRin Silke Sachs zu diesem Zweck am vergangenen Freitag ins WGG eingeladen. Mit Peter Kuchenreuther war ein in ganz Oberfranken renommierter Architekt zu Gast: Neben der Sanierung der Turnhalle des Selber Gymnasiums und dem Bau einer Grundschule mit offenen Lern- und Kreativlandschaften ist die am vergangenen Samstag eröffnete Infohalle des Kirchenlamitzer Granitlabyrinths das derzeitige Vorzeigeprojekt.

wgg selb 05191Natürlich wollten die Schülerinnen und Schüler ihren Gast zunächst näher kennenlernen und erfuhren, dass Peter Kuchenreuther nach dem Abitur erst einmal eine Steinmetzlehre absolviert hat. „Mit den eigenen Händen arbeiten, sich mit Material beschäftigen“ sei ganz wichtig, so der Architekt. Nach dem Studium an der TU München und einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis folgte dann 2004 der Schritt in die Selbständigkeit. Das Büro in Marktredwitz, in dem derzeit ein Team von 15 Mitarbeitern konstruiert und gestaltet, ist breit aufgestellt: Das Spektrum umfasse neben Regionalplanung und -entwicklung auch die Freianlagengestaltung; ein weiterer wichtiger Bereich sei die Denkmalpflege. Seinen Berufsalltag beschreibt Kuchenreuther zwischen „Bürgermeister und Baustelle“, unverzichtbar die Beratungstätigkeit, um „in den Dialog zu kommen“. „Dauerhafte Werte zu schaffen“, darin sieht Kuchenreuther seine Erfüllung.

 

Kristallisationsmoment Bauhaus

Mit dem Bauhaus ist der Architekt während seines Studiums intensiv in Berührung gekommen. Für die Schüler fasst er die wichtigsten Eckdaten zusammen: 1919, als Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt im Umbruch waren, schufen die Bauhäusler eine Lehre, die die Lebensumwelt ein bisschen besser machen wollte. Zum ersten Mal spielte Deutschland in der Architekturgeschichte eine Rolle und schuf einen Wendepunkt im Bauen. Den heutigen Einfluss dieser Bewegung sieht Kuchenreuther in der Bedeutung von Licht, Luft und Sonne. Dachterrassen und weitgespannte Räume sind auf das Bauhaus zurückzuführen, aber auch Entwicklungen wie die Tiny-Houses, weil sie in ihrem Wunsch nach Reduzierung einen kritischen Blick auf die Wohlstands- und Konsumgesellschaft werfen: „Wie viel brauche ich, um zu leben?“

Die Botschaft des Bauhauses sei die Beschäftigung mit den aktuellen Themen in der Gesellschaft und die Übertragung der Vision auf unsere Zeit, betont Kuchenreuther. Er nennt als Beispiele die Bereiche Mobilität und Nahversorgung, die Schaffung von Städtenetzen und das Erreichen von Bildungsstandards. Angesprochen auf den Leerstand, der in vielen Städten und Gemeinden ein leidiges Thema ist, weist der Architekt auf die zahlreichen bestehenden Konzepte hin. Natürlich gebe es keine Musterlösung, aber die gute und nutzungsneutrale Bausubstanz vieler Häuser in den Innenstädten – hier lassen sich Wohnen u n d Arbeiten unter einen Hut bringen - sei ein Gegenpol zum Flächenfraß. Auch die Entwicklung von Einkaufsstädten zu Erlebniswelten nennt der Architekt als zukunftsweisend, um dem Leerstand entgegenzuwirken.

 

Diskussion mit den Schülern

Hier hakt eine Schülerin ein und fragt nach Ideen zur Attraktivitätssteigerung in Selb. Kuchenreuther weist auf den Bürgerpark als gelungenes Beispiel hin, der Aufenthaltsqualität geschaffen habe. Insgesamt müssten Innenstädte neu erfunden werden, um Identitäten zu schaffen. Eine weitere Frage, die auf die Schaffung von neuem Wohnraum in Ballungsgebieten abzielt, beantwortet Kuchenreuther mit einer Gegenfrage: Muss ich in den Ballungsraum? Ist das Motto schneller, weiter, höher wirklich das Richtige für mich?

Möglichkeiten, der Wohnknappheit entgegenzuwirken, sieht er im verdichteten Bauen, außerdem sei die Flexibilität in der Grundrissstruktur ganz wichtig. Nahtlos ist der Übergang zum nächsten Thema, das von einer Elftklässlerin angesprochen wird: Wie lässt sich Nachhaltigkeit beim Bauen erreichen und wie können Ressourcen gespart werden? Hier sei es wichtig, auf die Dauerhaftigkeit der Materialien zu achten. Während beispielsweise Linoleum 30 Jahre hält, ist Kautschuk deutlich langlebiger. Um Gebäude auch in 75 oder 100 Jahren noch nutzen zu können, empfiehlt der Architekt das Bauen mit Ziegel, Holz und Naturschiefer. Durch die Umstellung auf LED sparen viele Städte bereits beim Strom, als gelungenes Beispiel weist Kuchenreuther auf Bad Alexandersbad hin. Während verstärkt Nahwärmenetze geschaffen werden müssen, sollten fossile Brennstoffe zurückgedreht werden. Und natürlich ist jeder Einzelne gefordert!

Für seinen Besuch erhielt Herr Kuchenreuther viel Applaus von den Schülerinnen und Schülern. Alle hatten gemerkt, mit wie viel „Herzblut und Leidenschaft“ der Gast sein Metier ausübt und wie wichtig es ihm war, seinen Beruf und die Architektur den Zuhörern ein Stück näherzubringen. 

selb-live.de - Presseinfo Walter-Gropius-Gymnasium Selb