20.12.2018 – „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzet würde.“ Mit diesen Worten beginnt die bekannteste Geschichte der Welt, die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium. Wie aber hört sich das im Selber Dialekt an?
Jürgen Judas, der Vorsitzende des Evangelischen Gemeindevereins Erkersreuth-Selb-Plößberg machte nun die Probe aufs Exempel. Er übertrug die Weihnachtsgeschichte des Lukas-Evangeliums in den letzten Monaten in großer Fleißarbeit und begleitet von manchen Sprachrecherchen in den heimatlichen Dialekt. Herausgekommen ist dabei die „Söllwer Weihnacht“.
Am Sonntag hatte diese Dialekt-Version der Weihnachtsgeschichte nun „Weltpremiere“ in Selb-Plößberg. Judas trug seine „Söllwer Weihnacht“ im Rahmen der Weihnachtsfeier des Evangelischen Gemeindevereins im Gemeinschaftshaus beim Jochen-Klepper-Haus vor. Das Echo war überwältigend. Über 80 Zuhörerinnen und Zuhörer strömten in den großen Saal. Es mussten noch zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden.
Jürgen Judas setzt im ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums ein und bezieht die Ankündigung der Schwangerschaft der Maria und der Geburt Jesu gegenüber der Jungfrau Maria (Lukas 1, 26-38) in seine Übertragung bereits mit ein unter dem Titel „Wöi's die Maria gsagt kröigt“. Die anschließende Erzählung von der Geburt Jesu – die eigentliche Weihnachtsgeschichte also – beginnt bei Jürgen Judas auf „Söllwerisch“ mit den Worten: „Der Kaiser Augustus haout selmal a Verordnung aasserge'm, dass sich alle Leit in a Stajerlistn aatrong laouer möin. Und dees war die alleräjerschte Zühlerei, döi wos damals ge'm haout und dees war za derer Zeit, waou der Cyrenius na Kaiser vo Rom saa Stellvertreter in Syrien war. Und jeder Oinzlne moußt sich daou in derer Stadt meldn, waouer geborn worn is. Kreizadiquer sen die Leit zuang - und dees war fei a ganz schäins Gwürch und a Mordsgw'hl.“
Die „Söllwer Weihnacht“ ist gegliedert nach der biblischen Geschichte. Judas hat auch die Zwischentitel in den hiesigen Dialekt übertragen. So heißen die weiteren Szenen „Aaf'm Wech naou Bethlehem“ (Lukas 2,1-7), „Wöi's die Hirtn gsagt kröing“ (Lukas 2, 8-14), „In der Krippn im Stool drinner“ (Lukas 2, 15-16) und „Die Hirtn derzühln's weiter“ (Lukas 2, 17-20).
Auch der im Matthäus-Evangelium überlieferte so wichtige Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland findet in der Dialekt-Übertragung Eingang. Diese Szene nach Matthäus 2,1-12 ist überschrieben mit „Draa Weise kummer vo weit her“, nämlich „aas dern Land, waou die Sunn äjerer aafgäiht wöi vo uns“. Hier schildert der Evangelist Matthäus als Verfasser des umfangreichsten Evangeliums, dass die Geburt dieses Messias von Anfang an ein universales Heilsgeschehen zwischen Gott und der Welt darstellt und hier der Heiland aller Völker geboren wurde, der nicht nur zum Volk Israel gesandt ist, sondern der ganzen Welt das Heil bringen soll.
Diese Szenen wurden bei der Weihnachtsfeier des Gemeindevereins umrahmt von Instrumentalstücken und Liedeinlagen. So spielte der Posaunenchor Selb auf und bot bekannte weihnachtliche Weisen in musikalisch hervorragender Weise dar. Aber auch ein kleiner Singkreis des Gemeindevereins wirkte mit und trug das Lied „Wer klopfet an“ zur Herbergssuche vor. Die ganze Festversammlung stimmte mit ein in vom Posaunenchor begleitete beliebte Weihnachtslieder wie „Seht, die gute Zeit ist nah“, „Großer Gott, wir loben dich“, „O du fröhliche“ und „Stille Nacht“. Pfarrer Dr. Jürgen Henkel trug die Introitus-Vertonung des Lobgesangs der Maria gesungen vor – das bekannte „Magnificat“ aus Lukas 1, 46-55.
Andächtig und aufmerksam lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer den Ausführungen von Jürgen Judas und aller Vortragenden und sangen bei den Weihnachtsliedern fröhlich mit. Auch die Vorstandsmitglieder Karin Haja, Anneliese Judas und Luise Fraas trugen noch nachdenkliche Stücke vor. Bei der Kaffeetafel gab es – passend zur Dialekt-Weihnacht – auch schmackhaften Stollen aus heimischer Produktion.
Vorsitzender Jürgen Judas kritisierte in seinem Weihnachtsgruß an die Besucher der Feier die weitverbreitete Rede vom „Weihnachtsstress“ und hielt fest: „Jeder ist für seine Zeitplanung selbst verantwortlich. Keiner muss sich zu Weihnachten selbst Stress machen. Advent und Weihnachten sollen eine besinnliche Zeit sein.“
Pfarrer Dr. Jürgen Henkel dankte Jürgen Judas für seine Übertragung der Weihnachtsgeschichte in den Selber Dialekt und meinte: „An Weihnachten feiern wir, dass Gott in Jesus Christus als Mensch zu den Menschen gekommen ist. Die Übertragung in den eigenen Dialekt kann den Menschen diese Botschaft besonders näherbringen und holt sie noch mehr ins eigene Leben herein. Gott will zu uns Menschen kommen, damit wir Menschen zu ihm kommen können. Das tut er in den verschiedensten Sprachen“. Der Pfarrer regte an, diese „Söllwer Weihnacht“ im nächsten Gemeindebrief zu Weihnachten 2019 zu veröffentlichen.
selb-live.de – Presseinfo